Transkript
Felix Schürmann: So geht das nicht weiter. Es geht pädagogisch so nicht weiter und es geht auch in den Schulhäusern so nicht weiter. Und wir haben uns da als einen Teil empfunden, der Architektenschaft, die seit mehreren Jahrzehnten einfach an diesem Thema auch arbeitet, wie man andere Schulen bauen kann. Und das Münchner Lernhausmodell ist eine Möglichkeit das zu ändern. [Musik]
Florian Geierstanger: Herzlich Willkommen beim Münchner Lernhaus Podcast. Mein Name ist Florian Geierstanger und ich spreche in diesem Podcast mit Gästen über das Münchner Lernhauskonzept, über Schulbauarchitektur und über den Kulturwandel in der Pädagogik, der damit verbunden ist. Ich bin heute im gerade vor zwei Wochen neu eröffneten Bildungscampus Freiham. Und mit mir sind die Architekten Herr Schürmann und Herr Bauer, herzlich Willkommen. Schön, dass Sie sich Zeit genommen haben, an einem Samstag mit mir durch das Gebäude zu gehen.
Sie haben den Wettbewerb 2015 gewonnen, für dieses-, für die Planung, für den Plan. Jetzt ist es 2019, gerade eröffnet. Wieso ich unbedingt mit Ihnen sprechen wollte, liegt einfach daran, ich bin vor zwei Wochen hier durchgeführt worden, durch die Gebäude, durch den Campus und war total überwältigt und dachte mir: Also da ist ganz viel drin. Da ist nicht nur das Münchner Lernhaus verwirklicht, sondern das geht auch noch ein paar Schritte weiter. Es hat ja nach außen eine sehr klare Form. Es sind sechs Gebäude, die nebeneinanderstehen. Alle mit einer hellen, weißen Fassade, ganz einheitlich. Ist sehr klar. Und dann kommt man rein und schon in jedem Gebäude ist es irgendwie anders. Und die Gebäude, diese Räume, schon die Eingangsräume machen irgendwie Lust, von einem Raum in den nächsten zu gehen. Die machen Lust, dieses Gebäude zu erkunden. Also ich habe das Gefühl, es ist wie ein Abenteuer. Ja, ein Abenteuer, sich von einem Raum in den nächsten zu bewegen und das Gebäude zu entdecken. Und ich hoffe, dass wir jetzt genau darüber reden. Einerseits über die Konzeption, die dahintersteckt, aber auch dann, ja, über den Ansatz, der in diesem Gebäude verwirklicht ist. Also so über die Haltung von Ihnen, die da drinsteckt. Weil irgendwie, was mein Eindruck ist, es ist wirklich eine ganz klar erkennbare Handschrift, von Ihnen. Und da bin ich jetzt einfach neugierig, was wir da, ja, besprechen können.
Erkunden einer neuen Stadt
Felix Schürmann: Ja, gerne. Ich weiß nicht, ob es eine Handschrift ist. Ich glaube die Dinge, die wir tun, sind sehr verschieden. Das, was Sie beschrieben haben, finde ich sehr schön, weil es ist vielleicht die Bestätigung dessen, was wir grundsätzlich denken. Architektur ist Lebensraum, oder ist eine ganz Welt. Ist jetzt nicht nur ein Haus zu bauen, was funktioniert. Sondern, wenn Sie beschreiben, wie spannend das ist, hier durchzulaufen und es zu erkunden und zu erforschen, dann ist es das, was uns interessiert, wie Menschen in einem Haus sich bewegen und es wahrnehmen und es erkunden und erforschen und sich zu eigen machen. Und letztlich haben Sie was beschrieben, wie wenn Menschen in eine fremde Stadt kommen. So habe ich mir das gerade vorgestellt, wie Sie das erzählt haben. Ich gehe morgens aus meinem Hostel raus und bin in einer fremden Stadt und bin neugierig, was mich jetzt erwartet. Und wenn das das ist, was so der erste Eindruck ist, dann finde ich das ganz prima.
Florian Geierstanger: Und wo sind wir jetzt?
Felix Schürmann: Jetzt stehen wir sozusagen in den innersten, verborgenen Räumen einer Stadt, nämlich im Lernhaus selbst. Was man tatsächlich auch nochmal lesen kann, wie eine Stadt in der Stadt. Und tatsächlich beschreibt es das Münchner Schulreferat das auch als die kleine Schule in der großen Schule. Das ist tatsächlich die Idee. In diesem riesigen Organismus, es sind immerhin mehr als 3000 Schüler, die hier jetzt lernen und arbeiten, eine Art Heimat nochmal zu schaffen. Oder einen Ort der Identität, oder des Hingehörens. Und wenn das als eine Stadt nochmal gelesen werden kann, dann gibt es vielleicht jetzt, wo man es nicht sehen kann, doch noch einem die Vorstellung, dass es ein relativ komplexes Raumgefüge ist, was sich ebenfalls nicht auf den ersten Blick erschließt.
Florian Geierstanger: Also 3000 Schüler sind hier auf dem ganzen Campus. Es sind dann letztendlich vier verschiedene Schularten. Jetzt im Moment sind es sogar fünf, mit einer Schule, die hier zu Besuch ist, sozusagen, oder vorübergehend. Und wer dieser 3000 Schüler wohnt jetzt in diesem Lernhaus, in dieser kleinen Stadt in der Stadt?
Felix Schürmann: Ja, das ist nicht schlecht, das Bild von der Stadt. Das sollten wir jetzt mal eine Weile beibehalten, weil in der Stadt kommt es auch letztlich nicht darauf an, wer in welchem Haus wohnt. Sondern es kommt darauf an, wie viele verschiedene Menschen eine Stadt bevölkern. Wie viele verschiedene Charaktere, oder Herkünfte, wie viele Bedingungen die Menschen mitbringen und wer so die Stadt zu dem macht, was sie ist, nämlich komplex. Und die Schule ist komplex, weil es so viele sind und weil es so viele verschiedene Schularten sind, mit auch verschiedenen Herkünften, gesellschaftlicher Herkunft, Bildungsstandard, Ausblick in die Zukunft. Und da ist das deutsche Schulsystem ja leicht in der Kritik, oder in die Kritik zu bringen, dass das in Sparten so geteilt ist, wie in kaum einem anderen Land in Europa. Und da ist jetzt schon auch die Idee, dass die Grenze zwischen diesen Schularten verschwimmt. Und dass man nicht mehr feststellt- Sie werden es im Haus auch nicht feststellen- wo ist das Gymnasium, wo ist die Realschule. Genauso wenig, wie drüben, wo ist die Grundschule, wo ist die Förderschule. Und das ist Absicht. Wenn Sie so wollen, eine Gesamtschule, eine Idee einer Gesamtschule. Und wir hoffen, dass es auch irgendwann mal so gelebt wird. Das heißt es ist hier, in diesem Raum, eigentlich völlig unerheblich, ob ich jetzt im Gymnasium bin, oder in der Realschule. Es unterscheidet sich in Details, aber es entscheidet sich nicht dem Prinzip nach.
Florian Geierstanger: Also hier sind-. Das heißt also diese kleinen Einheiten, Lernhauseinheiten, die sind ähnlich in, oder sogar gleich, in der Realschule und im Gymnasium?
Felix Schürmann: Ja.
Florian Geierstanger: Wir würden es jetzt nicht merken, würden wir im gymnasialen Teil stehen. Wir sind jetzt im Realschulteil. Vielleicht beginnen wir damit, einfach zu beschreiben. Es ist ja-. Wir machen ja eine Hörsendung. Die Zuhörerinnen können nicht hören, was wir sehen. Deswegen müssen wir eigentlich ganz konkret beschreiben, nicht nur wo stehen wir, sondern was sehen wir.
Die Lernhäuser – autarke Einheiten im Schulkomplex
Dirk Bauer: Also, wenn man dieses Thema des Stadtteils, oder des Stadtorganismus nochmal heranzieht, dann ist auch ein Thema dieses Lernhauses, das autarke Funktionieren, sozusagen. Das heißt, ich habe in jedem Lernhaus drinnen, eine Schulgemeinschaft. Das heißt ich habe einen Teamraum, in dem die Lehrer ihre Heimat finden.
Florian Geierstanger: Sollen wir reingehen, in den Teamraum? Also wir stehen in der Mitte eines Lernhauses.
Felix Schürmann: Wir spazieren jetzt einfach mal durch die Straße der Stadt, oder?
Florian Geierstanger: Genau, wir spazieren durch. Und wir sind jetzt von der Mitte, spazieren wir jetzt in das Teamzimmer.
Dirk Bauer: Genau. Also anders, als man es aus herkömmlichen Schulbauten kennt, indem das Lehrerzimmer zentral verortet ist, ist wesentlicher Bestandteil des Lehrhausgedankens der, dass die Lehrer die Schüler direkt, den ganzen Tag hinüber begleiten. Dass sie Ansprechpartner sind. Und deswegen auch im Lernhaus direkt verortet sind. Wenn man sich umschaut, sieht man auch die großzügige Verglasung in den Raumbereich hinein, beziehungsweise aus dem Teamraumbereich hinaus. Und diese selbstständige Organisation besteht aus dem Teamraum der Lehrer. Es gibt die WC-Bereiche, es gibt die einzelnen Klassen. Es gibt einen sogenannten Multifunktionsraum, einen Inklusionsraum und ganz wichtig, die Kernzone, die jetzt, das ist ein ganz zentraler Baustein, kein herkömmlicher Flur ist, wie man es in der Schule kennt, diese Trennung zwischen Klassenraum und Flur Zone, dass ich diese wirklich nur benutze zur allgemeinen Erschließung. Sondern dass ich diese Kernzone nutzen kann, für vielfältige Möglichkeiten. Natürlich auch zum Erschließen, aber auch zum Unterrichten, zum Präsentieren, für die Pausenflächen, zum Hausaufgaben machen, zum Unterrichten. Ich werde im Klassenraum instruiert, von einem Lehrer, mit einer Aufgabe und kann dann hier, in dieser Kernzone, meine Aufgabe alleine, oder in Gruppenarbeit, in Zweiergruppen, oder in größeren Gruppen, bewerkstelligen. Im Moment ist diese Kernzone, die über eine große Verglasung, auch nach außen, für die Belichtung, verfügt, noch unmöbliert. Die Möbel sind, gemeinsam mit den unterschiedlichen Schulen, entwickelt worden. Es gibt da natürlich von Schulart auch unterschiedliche Bedürfnisse. Und diese Möbel geben dann nochmal die Möglichkeit verschiedene Raumsettings zu entwerfen, die ich individuell, rein situativ steuern kann und auf die unterschiedlichen Bedürfnisse anpassen kann.
Die Lernhaus-Mitte als „Dorfstraße“
Felix Schürmann: Wenn man das nochmal beschreibt und ich bleibe jetzt bei dem Bild der Stadt, in finde das gut, wir haben gerade gesprochen über diesen hohen Verglasungsanteil und über die Lehrer, die sich hier auch mit ihrem Haus, in dieser Stadt des Lernhauses- jetzt stimmt das Bild nicht- um den Dorfplatz, oder um die Dorfstraße hier versammeln. Und wenn wir das Bild der Stadt nochmal ein bisschen bemühen darf, dann kann man sich vorstellen, dass- und das ist das andere, gegenüber dem eigentlichen Standard des Münchner Lernhausmodells. Das ist ja mittlerweile Standard geworden. Hat sich entwickelt, durchaus auch aus dem Gymnasium in Trudering heraus. Und das hat immer eine zentrale, mittlere Zone formuliert, indem das alles stattfinden kann, was der Dirk Bauer gerade erzählt hat. Das ist hier ein bisschen anders. Wir nennen das das lineare Lernhaus. Man könnte auch sagen, das Lernhaus-Dorf, indem diese Zone eben nicht nur die Mitte ist, sondern sich erstreckt, über nahezu-, ich weiß gar nicht wie viele es sind-, ich würde mal fast schätzen so 30 Meter dürfen das schon sein, 20, 30 Meter. Und auch als so eine Straße gelesen kann, an denen mehrere Verdickungen angegliedert sind, wie kleine Plätze. Und insofern, diese ja doch große Anzahl von Kindern, die hier versammelt sind, sich mehrere Mitten aussuchen kann. Das finde ich immer auch ein schönes Modell. Es gibt nicht die eine Mitte, wo jeder sagt: „Da gehörst du hin“, sondern es gibt mehrere kleine Plätze und da kann ich mir meinen Ort suchen. Und um das Bild der Stadt noch zu bemühen, jetzt müsste der Zuhörer sich vorstellen, ich gehe abends durch die Straßen einer Stadt und kann in die Fenster reinschauen. Und ich zumindest finde es schön, in fremder Leute Wohnungen und in andere Häuser reinzuschauen, weil es spannend ist zu sehen, wer denn da in der Stadt lebt. Und wenn wir jetzt hier so langlaufen und dann gehen wir dahin und gehen über den Raum der Lehrer und wir sehen, dass die da drin arbeiten und was tun und sich eben nicht hinter eine geschlossene Tür zurückziehen.
Blickbezüge und Rückzugsräume im Lernhaus
Florian Geierstanger: Ja. Also wir sehen zum Beispiel, wir gehen jetzt diese Dorfstraße entlang und sehen die Frau Schneider, die Schulleiterin, die am Samstag in ihrem Teamzimmer arbeitet.
Judith Schneider: Wollen Sie woanders hingehen?
Florian Geierstanger: Nein. Wir haben gerade darüber gesprochen, dass man da reinsehen kann. Und dann haben wir eben beschrieben, ja, wir sehen die Schulleiterin, die ist auch da.
Judith Schneider: Ja, genau, kommissarisch…
Florian Geierstanger: Die kommissarische Schulleiterin.
Judith Schneider: Für uns, nur so auch aus unserer Perspektive, als die Lehrer jetzt. Wir haben ja auch unserem ganzen Kollegium das gezeigt. Also nicht die, die hier unterrichten, sondern dass einfach alle das mal sehen, falls sie mal eine Vertretungsstunde haben. Und für uns, die so abgeschlossene Räume gewohnt sind, die denken: „Oh je, den ganzen Tag auf dem Präsentierteller hier sein. Keinen Rückzug.“ Das ist so ein bisschen, da weiß jetzt nicht-. Bis jetzt fanden wir es nicht unangenehm. Es sind ja auch noch wenige Kinder da. Aber ich glaube da müssen wir auch hinein…
Felix Schürmann: Nein, aber das ist spannend, weil das ist genau die Nahtstelle, wo jetzt die Architektur versuchen muss die richtige Balance zu finden. Wenn man nochmal die Stadt bemüht, kann man das vergleichen. Da ist das Raumprogramm dann eventuell noch ausbaufähig. Es gibt tatsächlich diese intimen Rückzugsräume für die Lehrer nicht. Es gibt leere Bereiche im Haus, an anderer Stelle. Aber die Differenzierung, die ich jetzt in einem Haus hätte-. Im neunzehnten Jahrhundert waren die Wohnzimmer immer zur Straße. Da hat man sich gezeigt. Da hat man seine Bücherwand oder seinen Flügel gezeigt und war stolz, dass man Teil der Stadt ist. Und hat sich dann aber, nach hinten ins Haus, auch zurückziehen können. Das ist eventuell ein Wechsel, der noch fehlt. Ich kann jetzt immer in die Wohnzimmer reinschauen und Sie können aber in keinem anderen Raum sein, als im Wohnzimmer. Sie müssten noch einen Raum haben, wo Sie sich intimer zurückziehen können. Wenn Sie kreativ sind, nehmen Sie den.
Judith Schneider: Der einzige Raum, hier im Lernhaus, ohne Glasfront, ist der sogenannte Inklusionsraum, den wir aber noch nicht wissen, wie wir ihn nennen. Ob wir ihn wirklich Inklusionsraum nennen. Ein sehr schöner Raum, wo wir auch schon die Vision hatten, jetzt für Lehrkräfte, wenn wirklich mal ein Lehrer sich zurückziehen möchte. Es ist auch hier eigentlich ein Sofa noch bestellt, ein Teppich, dass das auch ein bisschen was Wohnliches hat. Zur Differenzierung bei Förderbedarf auch mal ein intimes Gespräch, wenn man nicht mehr den weiten Weg, runter in die Verwaltung, in das Elternsprechzimmer, nehmen möchte. Haben wir auch überlegt, kann man auch hier mal unter vier Augen sprechen, ohne dass es alle mitkriegen. Aber das muss man alles sehen, wie es in der Praxis, wie wir es dann wirklich in der Praxis machen.
Florian Geierstanger: Also Sie haben ja jetzt gerade beschrieben, dass Sie mit Ihrem Kollegium hierhergekommen sind. Das ist das Kollegium von Ihrer Stammschule, kann man das so nennen?
Judith Schneider: Von der Stammschule, ja.
Florian Geierstanger: Oder nennt man es so?
Judith Schneider: Wir haben verschiedene Namen. Wir können es Stammschule nennen. Wir sind verwaltungstechnisch die Außenstelle.
Florian Geierstanger: Also es ist einfach eine bestehende Schule, in einem bestehenden, alten Schulgebäude. Und da kam das-. Und ein Teil des Kollegiums wechselt jetzt hierher, in diese ganz neue Architekturform. Und Sie haben mit dem Ganzen, mit der ganzen Belegschaft das hier besucht und die waren erstmal irritiert, von dem vielen Glas und haben sich überlegt: „Werden wir da beobachtet?“
Judith Schneider: Ja, das war eine Aussage. Vorherrschend war natürlich: „Es ist hell. Es ist freundlich. Es ist viel Platz. Die Materialien sind sehr ansprechend.“ Es gibt natürlich viele Perspektiven der einzelnen Lehrkräfte auch, worauf die schauen.
Erfahrungen im Gymnasium Trudering
Dirk Bauer: Also für uns war das natürlich spannend, im Vorgängerprojekt, im Gymnasium von Trudering, weil dort zur Einschulung die fünfte, sechste, siebte, achte Klasse kam. Und zwei davon wirklich ganz neu in diese Schule hineingekommen sind und die anderen Klassen aber schon von bestehenden, konventionellen Schulen gewechselt haben. Und das haben wir dann nachher, von der Frau Asam auch so mitbekommen, wie denn so dieses, von Schülerseite auch erstmal, wie denn so dieses Einleben in dieses Schulhaus, in diese neue Schulgemeinschaft, war. Und das Spannende war dort auch, zu sehen, dass diejenigen die ganz frisch, neu dort hineinkommen, wie selbstverständlich sich darin bewegen. Und dass die Schüler, die die klassischen Schulen gewohnt waren, da so eine kleine Zeitdauer brauchten, bis sie das gewohnt waren. Und sich das dann aber eingespielt hat, weil man gesagt hat: „Auf einmal merken alle Schüler, ich muss halt eigenverantwortlich umgehen. Ich muss die Bedürfnisse meiner anderen Schulkollegen und -Kolleginnen respektieren. Und dadurch bewege ich und verhalte mich auch in dem Raum anders.
Felix Schürmann: Das war ein sehr schönes Bild. Ich erinnere mich genau an den Tag, wo die Schule in Betrieb ging. Da war das natürlich alles so ein bisschen durcheinander, hat länger gedauert. Und die Kinder waren schon in den Lernhäusern drin. Und die funktionieren da ein bisschen anders, aber das ist egal. Und die fünften und sechsten, von denen du gerade gesprochen hast, die sind da rumgewuselt und rumgelaufen und haben alles ausprobiert und erkundet. Und die achten, die saßen auf ihren Stühlen, in Reih und Reihe und haben gewartet, dass der Lehrer kommt. Und das war ein wunderschönes Bild, weil das heißt und das ist ja unser Hauptthema, vielleicht kommen wir irgendwann noch drauf, dass der Raum den Menschen sozialisiert. Und die waren halt schon in eine bestimmte Form des Verhaltens, wenn man sagen würde konditioniert und haben die Qualität nicht erkannt. Oder nicht für sich erfahren können. Und diese sich frei organisieren können und frei bewegen können, um jetzt ganz weit nach hinten zu greifen, kommt im Gymnasium Trudering zum Beispiel dadurch zum Ausdruck, dass diese Kinder ein ganz anderes Bewegungsverhalten haben und ein ganz anderes Aggressionsverhalten, was die Frau Asam, das ist die Direktorin der Schule, immer beschreibt: „Meine Kinder rennen nach der Schule nicht aus der Schule raus, weil sie haben keinen Bewegungsstau.“ Sie haben sich den ganzen Tag bewegen können. Da ist nichts, was aus ihnen raus muss. Sondern sie waren sich selbst, den ganzen Tag. Das finde ich sehr schön.
Judith Schneider: Eine Beobachtung, die wir gemacht haben: Die Kinder, die jetzt hier sind, sind überwiegend, denke ich, auch nicht gewohnt an Sichtachsen, an viel Glas. Da haben wir natürlich schon beobachtet, dass Kinder, die durchs Haus gehen, winken, Späße machen durchs Haus. Was natürlich innen ablenkt und wir denken, wir müssen da auch hinkommen, dass es ganz normal ist, dass innen welche arbeiten, einer anderen Aktivität nachgehen, außen etwas anderes stattfindet und dass jeder, parallel in seinem Bereich, trotz sichtbar sein, arbeiten kann. Aber wir haben eben auch gesehen, das ist noch ungewohnt und ermutigt dazu, oder leitet dazu an, auch Faxen zu machen, im Moment.
Florian Geierstanger: Vielleicht sprechen wir uns in einem Jahr, weil dann haben Sie einfach Erfahrung, wie… Das ist ja ein Entwicklungsprozess, den jeder einzelne Schüler macht und den jede einzelne Lehrkraft macht. Einfach, wie verhält man sich hier? Wie unterrichtet man? Wie verhält man sich als Schüler? Wie lange ist es interessant durch die Scheibe zu winken?
Lernhaus, Campus, Stadtquartier – Raumbezüge nach außen
Felix Schürmann: Wir gehen mal zu unserem… also das ist zumindest mal mein Lieblingsraum. Das finde ich jetzt einen sehr schönen Raum. Wenn man sich es vorstellt, ich habe einen transparenten Verglasungsanteil in diese gemeinsame Zone, die wir eben besprochen haben. Wir können auf die Straße rausschauen. Also das ist jetzt hier die Bodenseestraße, wo das Areal sich angrenzt. Ich könnte hier, frei kann ich über die Wiesenflächen schauen. Und auf der anderen Seite haben wir noch einen Verglasungsanteil, der auf den Campus selber rausgeht. Das sind drei unterschiedliche Bezüge, die jetzt die Schüler aufnehmen können, in ihre eigene Homebase Lernhaus, in ihren eigenen Campus und in die Welt draußen, sozusagen. Und in diesen Netzwerken bewegen sich ja die Schüler auch. Und da gehören sie hin und da sind sie wirksam. Und was die Störung betrifft, ich glaube, dass in dem Moment, wo das ein selbstverantwortliches Lernen wird und nicht eine Instruktion, wo man aufpassen muss, weil es einem sagt: „Du musst jetzt aufpassen“, bin ich so auf mich konzentriert und auf das, was ich tue, dass ich mich nicht mehr so ablenken lasse. Sondern da bin ich ja in mir und mache das, was ich gerade will. Und dann ist die Störung, glaube ich, nicht, nicht da, aber ist weniger.
Judith Schneider: Ich denke da werden wir hinkommen. Oder das ist unser Ziel, ja.
Dirk Bauer: Also wir erleben das sehr schön und das, muss ich sagen, ist oft viel anschaulicher und viel schneller begreifbar, als das zu erläutern an Plänen oder Darstellungen, wenn wir manchmal nochmal die Möglichkeit haben nach Trudering, weil es die Anfrage gibt für eine Führung oder sowas, die Möglichkeit haben dieses Lernhaus zu beobachten, oder zu sehen, wie die Schüler arbeiten in den unterschiedlichen Raumbereichen. Und diese Konzentration und diese Ruhe, die Sie dort erleben, obwohl ich jetzt im Sitzkissen mich dahingeräkelt habe, oder mir irgendein spezielles Möbel gesucht habe, mit meinem Freund oder mit meinen Kollegen zusammen, das ist wirklich ein Bild, was uns immer freut zu sehen und wir auch mit Spannung verfolgen, aber erst recht die Besucher, denen wir das Gymnasium dann zeigen. Die das erleben und sagen: „Aha. Das hätten wir uns jetzt gar nicht so vorgestellt.“ Also besser können Sie es gar nicht beschreiben, als wenn Sie es dann einmal erlebt haben. Das ist jedes Mal eine tolle Erfahrung.
Orte der Sozialisation
Felix Schürmann: Ja, jetzt würde ich es gerne aber an die Pädagogik auch noch weitergeben. Das ist nicht nur das Haus, oder es ist nicht nur der Raum. Das schon auch. Es steckt natürlich einfach auch eine handwerkliche Sorgfalt dahinter. Man muss gucken, dass man eine gute Akustik hat. Ich glaube der Bewegungslärm, die Bewegungslautstärke ist höher, weil es mehr Bewegung ist. Es ist glaube ich eine andere Lautstärke. Es ist nicht so eine, jetzt nervöse Lautstärke, sondern eine gesunde Lautstärke. Aber man muss natürlich darauf achten. Wenn wir nachher vielleicht noch in andere Bereiche gehen, dann merkt man, dass man auch bewusst darauf achtet, unterschiedliche akustische Atmosphären zu erzeugen. In den gemeinschaftlichen Zonen, in den Verbindungshallen, der Pausenhalle ist es lauter als hier. Aber es hat natürlich was mit der Pädagogik zu tun. Und diese Art des Lernens ist vielleicht am leichtesten mit der Montessori auch zu beschrieben, die ja ein selbstverantwortetes Lernen hat. Ich helfe dir, selbst zu tun. Also du bist hier für dich verantwortlich, nicht ich, als Lehrer. Ich helfe dir nur dabei. Und das ist die Wechselwirkung, die uns von Anfang interessiert hat, weil wir auch aus unserer Bürogeschichte und aus der Familiengeschichte, aus der Erfahrung mit unseren eigenen Schulkindern, da gemerkt haben, so geht das nicht weiter. Es geht pädagogisch so nicht weiter und es geht auch in den Schulhäusern so nicht weiter. Und wir haben uns da als einen Teil empfunden, der Architektenschaft, die seit mehreren Jahrzehnten einfach an diesem Thema auch arbeitet, wie man andere Schulen bauen kann. Und das Münchner Lernhausmodell ist eine Möglichkeit das zu ändern. Es gibt natürlich auch noch sehr viele andere Modelle.
Florian Geierstanger: Ich würde gerne darauf genauer eingehen. Also was sind die biografischen Wurzeln, aus denen Sie dieses klare Bild der Veränderung der Schullandschaft jetzt entwickelt haben?
Felix Schürmann: Ja, ich habe es gerade beschrieben. Die persönliche Verzweiflung an dem Schulweg der eigenen Kinder. Ich weiß nicht, ob ich das sagen darf. Doch, es ist eine persönliche Erfahrung, durchaus des Ärgers an der Art und Weise, wie normalerweise eine Alleine die Frage, wie die Schulen sich zu der Fridays-for-Future-Bewegung gestellt haben, ist für mich ein eklatantes Beispiel, dass die Schule sich nicht versteht, als Ort der Sozialisation. Wir haben so oft gehört, von-. Oder man hört oft von den Schulen: „Die Kinder kommen nicht anständig sozialisiert in die Schule. Ihr müsst was tun. Ihr Eltern und Familien.“ Und ich glaube das ist nicht richtig. Eine Familie kann ein Kind in der kleinen Gemeinschaft sozialisieren, wie gehe ich mit drei, vier, fünf Leuten um, aber nicht mit 100 oder 200. Und insofern ist die Schule der Ort der Sozialisation, nach der Familie. Und das leistet sie nicht. Oder hat es nicht geleistet. Oder nur in kostbaren Ansätzen. Und der Raum ist dafür etwas ganz Wichtiges. Stellen Sie sich eine Flurschule vor. Wenn Sie jetzt rausgucken würden, alles das, was wir eben gesprochen haben, Sie gehen durch eine Straße, die nur geschlossene Wände hat und kein einziges Fenster eines Hauses stellt einen Bezug da. Sie sehen nur geschlossene Türen, in denen Sie sich nicht trauen reinzugehen, geschweige denn Kontakt aufzunehmen, zu den Leuten, die dahinter wohnen, dann ist das das Bild der der Regelform der Schule. Und als Architekten denken wir, da kann man was machen. Und das kann Architektur, selbst wenn sie nur über die Menschen nachdenkt, gar nicht über die Pädagogik nachdenkt, kann da Architektur etwas ändern. So hat es angefangen.
Florian Geierstanger: Das Münchner Lernhauskonzept hat ja jetzt, seit der Herr Schweppe das hier in München formalisiert hat, jetzt mittlerweile sogar als Standard Raumprogramm, wo es ganz klare Vorschriften gibt, wie für die Architekten der neuen Schulen, welche Räume, wie angeordnet sein müssen. Aber Sie haben ja dieses-. Also Sie waren schon vorher damit beschäftigt, Schulen zu bauen, bevor es dieses Münchner Lernhausprogramm gab. Wie haben Sie das-. Wie sind Sie da als erstes rangegangen? Oder was war so, in Ihrer Arbeitsbiografie, Vorläufer, oder Schritte, wo Sie gesagt haben: „Da haben wir mal einen ersten Schritt gemacht, eine Schule anders zu bauen und anders-.“
Felix Schürmann: Naja, es gibt da welche. In München gibt es die Grundschule an der Panzerwiese, die auch so versucht Bereiche zu formulieren. Es ist eine sehr große, eine fünfzügige Grundschule, die versucht hat Bereiche zu formulieren, indem so ein Zugehörigkeitsgefühl entsteht, dass ich nicht eine Schule über 250 Meter, entlang eines Flures, auffädeln kann. Aber im Grunde genommen ist es die grundsätzliche Auseinandersetzung, wie wir an Architektur rangehen. Dass wir einen gesellschaftlichen Rahmen schaffen wollen. Das können Sie im Bürobau genauso verfolgen, oder im Wohnungsbau. Das sind ja alles-. Da können Sie, glaube ich, gerade im Moment auch, an unterschiedlichste Bereiche hinschauen. Die Skandinavier machen uns da sehr viel vor, oder die Schweizer. Dass die Dinge umso besser funktionieren, indem sie zueinander in Bezug gesetzt werden. Und es ist spannend, wenn man merkt, dass manchmal- das war der Grad, über den wir eben sprachen. Sind die Benutzer schon so weit, dass sie das mitgehen? Ist es überhaupt richtig, was wir mit ihnen anstellen? Und das, was Du erzählst, ist ja eigentlich die Erfahrung, dass es funktioniert und dass der Beweis erbracht ist, dass die Nutzer in diese Häuser reinwachsen.
Architektur als Chance und Herausforderung der Pädagogik
Judith Schneider: Da muss ich eben sagen, da fühle ich mich angesprochen. Weil wir sind ja, ich, mit meiner kleinen Kollegengruppe, die sozialisiert ist in einer herkömmlichen Schule mit Türen, mit keinen Fenstern zum Flur, keinen Bezügen, die während des Unterrichts hegestellt sind und ich eben merke, dieses neue Konzept bietet für uns-, ist eine Herausforderung und eine große Chance. Aber wir müssen ja als Lehrer auch erstmal schauen und uns beschäftigten, wie können wir das nutzen und wie konzipieren wir unseren Unterricht so, dass wir das Beste mit diesen Räumen auch machen. Und nicht unseren alten Stiefel, aus den alten Räumen, hier übertragen. Und um da auch Anregungen zu bekommen, war ich, mit meinen Kollegen, in drei Lernhausschulen in München, die teilweise nicht-. Einfach, um zu sehen, was für Möglichkeiten gibt es. Und da ist ja jede Schule, hier in München, packt das anders an. Teilweise haben wir auch eine Schule besucht, die gar nicht architektonisch im Lernhauskonzept war, aber das höchstprofessionell und inspirierend, pädagogisch umgesetzt hat.
Florian Geierstanger: Wo waren Sie mit ihrem Team und was hat Sie jetzt so… was hatten Sie, also vielleicht ein, zwei Beispiele, wo Sie sagen, wo Sie gemeinsam mit Ihrem Team gesagt haben: „Das nehmen wir mit. Das machen wir hier, wenn wir neuanfangen, auch genauso.“
Judith Schneider: Also ein faszinierendes Beispiel war die Anne-Frank-Realschule jetzt hier in Pasing, die wirklich einen alten Bestandsbau hat mit alten Fluren, Räumen und die das Gebäude aber so gegliedert hat in Lernhäuser, in- die von den Schülern auch selber gestaltet wurden durch Namen, durch- die einen Bezug haben zu den Wahlpflichtfächern. Und was da auch ganz toll war- dass die Schüler selber ihr Lernhaus mitgestalten, also dass es gemeinsame Veranstaltungen gibt, Mottos gibt für das Lernhaus- und gerade auch ältere Schüler gemeinsam mit jüngeren Schülern eine Schule in sich bilden. Also sie hatten Lernwerkstätten, in denen eben ältere Schüler- Schülerinnen- ist eine Mädchenschule- mit jüngeren Schülerinnen selbstständig, eigenverantwortlich ihre Aufgaben erledigt haben, sich gegenseitig geholfen haben. Und wir durften das selber sehen und wirklich in der Praxis miterleben und waren fasziniert, wie toll es funktioniert. Und wir haben natürlich was mitgenommen, aber sind jetzt wirklich noch- weil wir jetzt wieder andere Kollegen haben- am Austarieren, mit was fangen wir an. Wir können natürlich nicht ein komplettes Konzept einfach jetzt uns überstülpen, sondern tasten uns da vor.
Florian Geierstanger: Was ist so ein erstes Element, mit dem Sie anfangen? Weil ich denke, Sie sind alle- Lehrer kommen aus einer anderen Schule, aus einer Ausbildung, die einfach einen bestimmten- ja, eine bestimmte Vorgehensweise halt hat, wie sie Schule praktizieren bis jetzt. Und Sie werden jetzt nicht seit- mit dem Beginn dieses Schuljahres sofort alles anders machen, aber was ist ein Baustein, den Sie hier jetzt schon einfach gesetzt haben am Anfang?
Judith Schneider: Gut, wir sind noch jetzt in der zweiten Woche sind wir jetzt noch mit ganz handfesten Dingen beschäftigt, wo die Schüler- wo wir die Schüler in den Pausen beaufsichtigen können oder wie wir die organisatorischen Dinge bewerkstelligen. Aber was natürlich- was wir schon sehen, was wir schon haben, sind die Räume, auch wenn sie noch nicht voll eingerichtet sind, dass wir sagen: „Hey, wir müssen nicht nur in der Klasse bleiben. Für dieses Element können wir- wir haben gesehen- wir haben manche auch Klassenzimmer in einem Stuhlkreis eingerichtet.“ Wir- für dieses Unterrichtselement, für diese kommunikative Einheit gehen wir zum Stuhlkreis rüber. Das, was wir vielleicht später dann in den Fluren, wenn die möbliert sind, machen würden. Oder einzelne Schüler kommen- arbeiten was draußen an Tischen. Also solche Dinge nutzen Kollegen schon. Und, aus meiner Perspektive- ich bin ja- unterrichte nicht so viel, bin aber sehr präsent. Ich finde es tatsächlich sehr schön, wenn ich hier durchgehe und sehe, ah, was so alles diese Atmosphäre in dem Klassenzimmer- wenn man- doch, man sieht nur Ausschnitte von Schülern und Lehrer und es gibt ein gutes Gefühl der- ja, schon der Zusammengehörigkeit. Also das ist eine interessante Sache.
Privates grün und öffentliches grün
Felix Schürmann: Vielleicht ist ja eine schön Stelle noch mal, wenn wir mal auf die Balkone gehen, weil das ist schon auch noch ein- glaube ich, ganz entscheidendes Thema von diesem Haus. Weiß nicht, das müsste man vielleicht noch auch kurz beschreiben. Wir haben jetzt- wir sind jetzt in einem Lernhaus, in einem Gebäudeteil. Das Problem ist, dass einem da langsam die Begriffe ausgehen, weil wir in einem Haus sind mit mehreren Lernhäusern und die Realschule und das Gymnasium besteht aus mehreren Häusern mit jeweils mehreren Lernhäusern da drin. Wir müssen mal an den Begriffen, glaube ich, noch ein bisschen arbeiten. Was ganz wichtig ist, ist, dass man die Gesamtanlage sich noch mal vergegenwärtigt. Wir gehen also jetzt gerade hier auf die Fluchtbalkone heraus. Die sind erst mal ganz lapidar Fluchtbalkone. Das heißt, ich muss aus dem Haus entfliehen können. Das würde jetzt zu weit gehen, die Vorteile zu erzählen. Man muss ich nur vorstellen, alle Geschosse vom Haus haben jetzt einen umlaufenden Balkon. Das ist auch ein grandioses Thema, weil jede Wohnung hätte gerne einen Balkon. Und ich habe jetzt noch mal eine andere Zone, um das Bild der Stadt zu bemühen. Ich habe die Straße, ich habe die Räume und hinten raus habe ich vor dem Wohnzimmer sozusagen noch den Gartenbalkon. Und der Gartenbalkon, der guckt aber jetzt nicht in meinen privaten Garten, sondern der Gartenbalkon, der guckt jetzt auf den öffentlichen Park. Das heißt, ich bin hier in einer anderen Art von Kontext im Stadtquartier und kann auch alle anderen Häuser der Schule sehen. Das heißt, ich sehe jetzt das Gymnasium da hinten. Ich sehe die Grundschule. Ich sehe das Förderzentrum. Ich sehe die Mensa und die zentrale Mitte. Und merke auch noch mal, ich befinde mich jetzt noch in einem anderen Geflecht von Kontext und von Beziehung und Sichtbarkeit.
Florian Geierstanger: Ich war, als ich hier vor zwei Wochen zum ersten Mal war, auch total irritiert und zwar positiv irritiert von dem, wie die- diese Schulgebäude im Viertel verankert sind. Also man muss ich vorstellen, das Viertel gibt es ja noch gar nicht. Das Viertel ist eine Brache im Moment, aber dieser Garten, auf den wir schauen, dieser Park- es ist nicht der Park der Schule. Es gibt keinen Zaun außen herum, der dieses Schulgebäude abschließt, sondern das ist ein Park des Viertels. Und nur die Grundschule hat einen fast nicht sichtbaren- fast unsichtbaren Drahtzaun, der die Grundschüler irgendwie davon abhält, eben auf die Straße heraus zu rennen. Aber alle anderen Schularten haben- oder die Grund- und die Förderschule haben diesen Zaun und die- alle anderen Schularten gehen direkt- öffnen sich ins Viertel mit der Außentür.
Dirk Bauer: Das war für uns im Wettbewerb natürlich schon die spannende Aufgabe, wie wir da heran gehen. Zum Einen, wie wir diese städtebauliche Setzung bewerkstelligen. Das heißt, wie präsentiert sich der Campus nach außen? Wie bekomme ich so dieses Gefühl, der Campus oder diese Wagenburg, das ist so mein Campus. Und der sich ja dann doch in diesem Feld, auch entlang der Bodenseestraße, nach außen behaupten muss. Wie habe ich da zum Einen eine Abschirmung jetzt zur Bodenseestraße? Wie habe ich eine Identitätsbildung? Und dann das andere Thema, wie verbinde ich mich mit dem Viertel, das am Entstehen ist. Und wenn man jetzt so die Wegeachsen von der Landschaftsplanung sieht, die jetzt hier durch das Gelände, die einzelnen Schulbaukörper miteinander verbindet und dann nachher sich gedanklich vorstellt, wie diese Wege dann weiter führen in das Viertel und dieses- der Rasen, der jetzt hier am Samstagmorgen so ganz unbelebt vor uns liegt- nachher als Quartiersfläche, als Quartierspark genutzt wird, sich nachher hinten im Sportcampus- die Durchwegung ist, glaube ich, im Moment noch gesperrt- weiterführt zu diesen Straßenanlagen und diese Vernetzung des Bildungscampus mit dem Viertel- dieses Öffnen der Schule und der Schulfamilie nach außen, das ist dann eigentlich dieser weiterführende Schritt, den wir aus dem bisherigen Schulprojekten- ja, gerne wachsen sehen würden. Und das andere Thema ist natürlich dann, wie vernetzt sich dann- wenn ich nach außen eher so diese geschlossene Form habe- wie vernetzen sich die Gebäude in diesem Park? Und diese einzelnen Finger der Gebäude- das kann man, glaube ich, ganz gut sehen- Die Bäume sind jetzt noch nicht gepflanzt, aber die Bäume, die im Zentrum der Rasenflächen stehen, die sich dann nachher fortbilden in diesen einzelnen Pausenhöfen. Und so fließt dann dieses öffentliche Grün auch in das privatere Grün der Schulen und gibt so einen verwebten Teppich.
Florian Geierstanger: Ich würde gerne wieder rein gehen, weil ich bin mir nicht sicher, ob wir- ob der Wind, der hier weht, auf den ich uns die Aufnahme so stört, dass man sie nicht mehr verwenden kann.
Schule als politischer Ort
Felix Schürmann: Ja, jetzt hoffe ich mal, man kann sie verwenden und man kann hören, dass Sie Sorge hatten, das Draußen-Sein die Aufnahme stört. Das Draußen-Sein ist natürlich gerade auch eine Qualität und diese andere Atmosphäre, die wir da draußen gespürt haben- Da sind gerade zwei Lehrer mit dem Fahrrad gekommen und sind hier offensichtlich noch am Samstag am Arbeiten. Wenn man es am Radio nicht sehen kann, dann vielleicht eine Vorstellung, es war gerade ein bisschen- mir kommt es immer so vor, als stehe ich auf einem Schiff oder stehe ich auf einer Fähre und ich habe so dieses Gefühl eines ganz anderen Stimmungsbildes, als wenn ich in so einer nach Linoleum-Boden-stinkenden alten Schule bin. Und dass das alles eine Schule kann, finde ich toll. Vielleicht noch so- ein Satz, weil man merkt, dass da ja auch so eine gesellschaftspolitische Dimension mit rein spielt. Ich glaube-ich hoffe, man merkt das, wenn wir reden, dass das wichtig ist. Wir waren am Freitag auf der Fridays-for-Future-Demo und- sehr viele Kinder da. Ganz spannend. Manche Generationen waren nicht vertreten, aber es sind sehr viele Jugendliche und ganz viele aus meiner Generation und es war so schön, zu sehen- die Menschen zu sehen, die da mit einem zusammen wegen dem selben Grund aktiv werden. Man plötzlich- man sieht so viele Menschen. Und als Mensch, als einzelnes Individuum und diese Erkennbarkeit im öffentlichen ist was, was in unserer Gesellschaft, glaube ich, stark gefährdet ist. Und dass wir uns begreifen als eine Gruppe von Menschen, die was bewegen können und die eine Relevanz haben und die ihre Stimme erheben können und einfach nur miteinander an einer Gesellschaft arbeiten, das ist auch so die Idee der Transparenz. Dass man im Haus sieht, da ist ein- da ist so eine gesellschaftliche Kraft am Werden. Und wenn wir mit Schulleitern reden, dann sagen die uns viel: „Die Jahrgangsstufe 13 ist das, was uns fehlt. Das waren die Katalysatoren der gesellschaftlichen Diskussion und die habt ihr uns genommen. Wir sind sehr froh, dass die wieder kommen und wir brauchen diese Schule als einen politischen Ort.“ Und wenn wir mit dem Haus dazu beitragen können, dass man merkt, dreieinhalb tausend Schüler sind eine gesellschaftliche Kraft, dann wäre das schön.
Florian Geierstanger: Ich habe vor zwei Wochen- mein zweiter Eindruck war dann auch oder ganz schnell die Frage war dann, wieso macht man das? Wieso- 3000 Schüler, die durch eine selbe Mensa müssen, ist das nicht irre? Und dann auf einem zweiten Blick dachte ich dann da, ja, aber wenn die gemeinsam was machen, dann haben die wahnsinnig Power. Also zum Beispiel ich- da sind wir jetzt nicht. Wir sind im Haus gegenüber. In diesem Haus mit der Mensa sind- da drüber sind die gemeinsamen Kunst- und Musikräume. Und da dachte ich natürlich sofort an- wenn vier Schulen einen gemeinsamen Musikraum haben, dann haben die auch drei Orchester, die gemeinsam sind. Das sind dann eben nicht das- unbedingt- vielleicht am Anfang, aber vielleicht in zwei Jahren nicht mehr- das muss dann nicht das Gymnasialorchester sein und das Realschulorchester und das Grundschulorchester, sondern das ist dann eben das gelbe Orchester und das rote und das grüne. Und wenn die dann gemeinsam Zauberflöte aufführen, diese drei Orchester, dann haben die ein gemeinsames Projekt und eine irre Power als Schulfamilie, weil es eben nicht nur eine Schule ist. Und genauso für alle anderen Projekte, die sie angreifen. Also es ist ja- Fridays for Future, den Klimawandel zu bekämpfen, das ist jetzt das große Übergeordnete, aber so eine Schulfamilie macht ja auch ganz viele kleine Projekte, hinter die sich dann- hinter denen sie sich versammeln können. Und da ist diese Nähe der Schularten und der verschiedenen Alter natürlich toll.
Felix Schürmann: Ja, ist ein sehr schönes Bild mit dem Orchester. Es kommt nämlich noch was dazu, was man vielleicht auch noch beachten muss. Und dieses es gibt immer noch etwas, über das man sprechen kann, macht uns so wahnsinnig viel Spaß an diesem Thema. Auch die Stadt München hat mittlerweile begriffen, dass es Ganztagsschulen geben muss und dass es gar keine Wahl mehr gibt als Ganztagsschulen anzubieten. Und jetzt muss die Schule plötzlich die Komplexität eines Lebens, eines Tages abbilden. Nicht nur eines Schultages, sondern eines ganzen Tages. Und wie kann ich in etwa adäquat das abdecken, was ein Kind am Nachmittag machen kann, wenn es in seiner Wohnsituation ist.
„Umprogrammierung“ der Verkehrsflächen
Florian Geierstanger: Sollen wir in diese naturwissenschaftlichen Flächen gehen?
Felix Schürmann: Gerne, ja.
Florian Geierstanger: Es ist ganz interessant, dass das Lernhaus, das ja die- wir haben das beschrieben vorher als die Heimat für eine abgegrenzte Gruppe von Schülern, so etwas familiäres, das hat einen grauen Fußboden. Und jetzt sind wir im Flur, im Gang und jetzt sind wir plötzlich auf einem Holzboden. Also intuitiv würde man es ja anders denken. Dass der Holzboden in der Wohnung ist und der graue Boden ist in den Allgemeinflächen.
Dirk Bauer: Das ist auch dem Thema geschuldet, dass wir natürlich zum Einen diese klare Zuordnung der Räume, was darf der Raum sein und was darf er nicht sein, was historisch gewachsen ist, aufbrechen müssen und wollen. Und das Thema ist, wenn die Schule der Ort ist, an dem ich meinen Tag verbringe, mein Lebensraum ist, dann muss ich natürlich auch adäquate Flächen anbieten, wie ich mich aufhalten kann. Und zwar so aufhalten kann, nach den unterschiedlichen Bedürfnissen. Also ich habe die Zeiten der Konzentration, ich habe die Zeiten der Erholung, ich habe die Pausen.
Florian Geierstanger: Es ist zu laut. Da können wir, glaube ich- da müssen wir ein Stück davon weggehen von diesem Presslufthammer. (…) Wir sind jetzt schnell durch das Treppenhaus und durch das Foyer gegangen, um dem Presslufthammer zu entkommen, akustisch, aber ich gehe jetzt gedanklich trotzdem noch mal zurück ins Treppenhaus zu diesem Holzboden und zu den Sitzmöbeln, weil es mich auch erinnert an das Gymnasium Tr udering, wo auch diese- da nennt es sich Fugen. Das sind so Zwischenbereiche zwischen zwei Lernhäusern. Und auch dort ist es so, dass die Fugen, wo man erst sagen kann, das ist einfach so ein Restbereich, der hat vielleicht brandschutztechnische irgendwie Gründe, dass es das überhaupt gibt oder so- dass das eigentlich so ein uninteressanter Raum ist. Und da habe ich aber dort auch das Gefühl, in Trudering, das ist es überhaupt nicht, sondern es ist mit geplant worden als interessanter Aufenthaltsraum und die Schüler nutzen das auch so. da stehen eben diese selben Würfel wie hier auch, so Sitzwürfel mit verschiedenen Niveaus, wo man sich so darauf setzen kann, stehen da drin. Und plötzlich ist eben eine Restfläche oder eine Zwischenfläche ist plötzlich eine ganz- hat eine Aufenthaltsqualität und ist ein attraktiver Raum für Schüler- ja, sich dort in der kleinen Gruppe aufzuhalten.
Felix Schürmann: Ja, das ist sehr schön beobachtet. Jetzt, wenn Sie das so erzählen und sehr präzise beschreiben, dann kommt einem auch wieder die Erinnerung, wie man auf Ihre Frage „Wie sind Sie denn angefangen mit dem Thema?“- komme ich noch mal zurück. Weil es ist tatsächlich in Trudering die Idee oder die Erkenntnis gewesen, ich mache in der Regel einen Flur als reine Verkehrserschließung. Und dieser Flur ist tot. Den kann ich für nichts anderes nutzen, weil er nur für die Erschließung gedacht ist, viel zu schmal ist, um sich in ihm aufhalten zu können. Jetzt war im Gymnasial Trudering die Idee, macht den Flur so groß wie möglich (…) dann kannst du ihn nutzen. (…) Es gibt ein schönes Wort von einem alten amerikanischen Architekten, Frank Lloyd Wright, der von der Auflösung der Raumschachtel gesprochen hat. Wenn der Flur nicht mehr Fluchtweg ist, dann braucht er keine Flurwände mehr zu den Klassenräumen und dann haben wir im Truderinger Wettbewerb auch noch diese Flurwände weg gelassen und haben eigentlich dem Bauherrn angeboten, hier hast du eine große Raumfläche von 25 mal 25 Metern- mach was damit. Wir können den Raum frei programmieren. Und was eben auch der Dirk Bauer gesagt hat und Ihre Frage nach dem Holzparkett ist da auch zu verstehen- Das ist sozusagen eine Umprogrammierung der Verkehrsflächen in eine anspruchsvolle, nutzbare Fläche, weshalb vielleicht gerade da ein hoher Materialanspruch ist, damit man die Fläche lesen kann als Fläche, in denen ich mich aufhalten kann.
Dirk Bauer: Also das Aneignen der Räume und das informelle Treffen, das ist, glaube ich, ein ganz großes Thema, das sich durch alle Bereiche durchzieht. Das zu ermöglichen durch die Raumstruktur, durch die Raumausbauten und durch die gewählten Qualitäten.
Naturwissenschaftliche Experimentalfelder
Dirk Bauer: Wenn wir jetzt hier im Experimentalfeld sind, dann ist das eigentlich, glaube ich, auch eine schöne Ergänzung zu dem Thema, was wir eben gerade besprochen hatten über diese Trennung von Flur und Klassen, weil wir nämlich als Fortentwicklung unserer bisherigen Projekte die Idee hatten, dass wir in den Fachlehrsälen- Biologie, Physik und MINT- heute immer noch diese strikte Trennung haben und diese Aufteilung in Flur und Klasse, bedingt durch diese hohe technische Installation. Und das auch aufzubrechen und anzunähern an diesen Lernhaus-Gedanken und diese Vielfalt der Nutzung. Und deswegen gibt es hier in Freiham die sogenannten Experimentalfelder für Physik, Biologie und Chemie.
Florian Geierstanger: Also ich habe mir das so vorgestellt und Sie müssen sagen, ob das eine realistische Vorstellung ist. Ich stelle mir vor, ich wäre Schüler und- also mein Hobby als Schüler war zum Beispiel Modellflugzeuge bauen. Und dann dachte ich mir, wenn es hier in diesem- meinetwegen Physikbereich oder in einem dieser Experimentierflächen- da gibt es bestimmt einen 3D-Drucker. Natürlich wäre ich hier jeden Nachmittag in der Schule gewesen und hätte für meine Flugzeuge die Teile hier ausgedruckt, wenn es ein freies Experimentierfeld zur freien Benutzung für die Schüler ist.
Felix Schürmann: Ist genau die Idee. Schön. Die Idee ist, die MINT-Bereiche aus diesem Instruktionsmodus heraus zu nehmen. Vorne steht der Lehrer, macht zweimal im Jahr vielleicht ein Experiment. Ansonsten bin ich in einem ähnlichen Frontalunterrichtungsmodus wie wir es ja im Lernhaus jetzt schon überwunden haben zu glauben. Und das kann man auch als Luftballonsversuchsfläche oder als einen Raum für Experimente von der Sendung mit der Maus vielleicht identifizieren. Nämlich, ich kann da hinein. Ich kann selbstverantwortlich was tun, weil der Raum nicht dieses Gefährdungspotential hat. Weil er kein Gas hat, weil er keine hoch installierten Bereiche hat. Und wenn die Idee tatsächlich die wäre, nachmittags aus eigenem Interesse in diese Zone zu gehen und mal ein Modellflugzeug zu basteln oder meine Hefekulturen anzulegen oder mein Aquarium zu pflegen oder sonst was zu tun, dann ist das ganz toll. Dann ist das genau das.
Florian Geierstanger: Von wem ging das aus- mal wieder auf so eine planerische und organisatorische Ebene zurück. Also Sie sagen jetzt hier, das ist der Versuchsballon, die auch die Fachräume- also Physik, Chemie, naturwissenschaftlichen Fachräume- auch die neu aufzubauen und nicht mehr mit geschlossenen Türen und dahinter beginnt der Gefahrenbereich, den ein Schüler nur betreten darf unter Aufsicht, sondern da noch was vor zu- eine Riesenfläche dem noch mal vorzulagern für selbstständiges Arbeiten. Wie ist das entstanden hier in dem Bildungscampus?
Felix Schürmann: Das ist ein Vorschlag, den wir gemacht haben. Du hast es ja erzählt. Wir versuchen, in jeder Schule ein Stück weiter zu kommen, weil es einfach uns reizt und wir die Grenzen des Systems sozusagen ausloten wollen. Und wir sind hingegangen und haben gesagt: „Passt doch mal auf.“ Es ist tatsächlich in einem Vorläuferprojekt als Idee entstanden. Das Projekt ist nicht- hat sich nicht fortgesetzt, aber da kam die Idee, wir können doch das Lernhausmodell mal auf die Naturwissenschaft übertragen. Und was geschieht, wenn wir das tun? Und wenn der Dirk Bauer eben gesagt hat, dass wir einen kompetenten Baupartner habe in dem Referat für Bildung und Sport und im Baureferat, dann sind das Kollegen, die so viel Expertise haben, dass man es diskutieren kann. Obwohl auch die wiederum Schwierigkeiten haben mit ihren eigenen jetzt Lehrern und Amtsstellen, weil da gibt- gab es große Widerstände, weil doch das so Gewohnte- und die Lehrpläne und das dahinter stehende Curriculum, das hat halt doch immer ein hohes Beharrungsvermögen. Wir machen jetzt ein Gymnasium in Herrsching, in dem wir auch mit dem Bauherrn noch einen Schritt weiter gehen, in dem es jetzt Fachcluster geben wird. Nicht mehr die Klassenheimaten, sondern die Fachheimaten. Es gibt da also einen- jetzt Lernhaus- es gibt für die Sozialwissenschaften. Es gibt ein Lernhaus für den Geschichtsunterricht. Es gibt ein Sprachenlernhaus. Und das ist ganz spannend, was unterscheidet ein sprachliches Lernhaus von einem gesellschaftswissenschaftlichen Lernhaus? Und das ist sozusagen jetzt die letzte Umdrehung, die wir jetzt gerade untersuchen. Mal sehen, was im Nächsten dann kommt.
Florian Geierstanger: Können Sie das noch ein bisschen ausbreiten? Also was unterscheidet zum Beispiel diese sprach- von dem naturwissenschaftlichen Lernhaus? Sind Sie schon so weit oder wie weit ist die Planung?
Felix Schürmann: Die Überlegung, die wir im Moment haben, ist, dass das sprachliche Lernhaus einen höheren Anteil an performativen Flächen braucht, wo ich eine Theateraufführung machen kann, wo ich einen Monolog halten kann, wo ich ein kurzes Schauspiel aufführen kann, mich an realen Alltagsszenen meine Sprache trainieren kann, während im Soziologie Fachcluster vielleicht die Diskussion- eine Situation wie in einem Parlament vielleicht, jetzt wie in London. Das hat ja was damit zu tun, dass die sich da so vehement streiten in der Art und Weise, wie sie sitzen. Weil sie so eng sind. Und das ist ja unerträglich. Die passen ja kaum auf ihre Bänke drauf. Und das könnte jetzt die Idee zum Beispiel da sein, dass man mehr miteinander streitet und deswegen einen Raum braucht, in dem man streiten kann. Und hier braucht man einen Raum, in dem man ein Modellflugzeug bauen kann.
Florian Geierstanger: So was wäre ja meine Abschlussfrage. Oder nein, vor der Abschlussfrage noch. Wir haben jetzt so ein bisschen mäandert in diesem Gespräch durch verschiedene Themen. Haben wir irgendwas total vergessen, wo Sie sagen, das müsste eigentlich- das gehört hier zum Kern da mit dazu. Das muss man einfach dabei haben.
Bauelemente der Gesellschaft
Felix Schürmann: Vielleicht doch noch mal den wichtigsten Satz, noch mal wiederholt: Das Gebäude ist ein- es gibt diesen Spruch vom Haus als dritten Lehrer. Das ist richtig. Ich glaube, das geht nicht weiß genug. Das Gebäude in sich- da reden wir dann gar nicht mehr nur über den Schulbau- das Gebäude ist ein unheimlich bedeutsamer gesellschaftlicher Baustein. Ein Element der Gesellschaft. Auch in ihrer Zeit- in der zeitlichen Konstanz. Denken Sie an eine- wenn ich jetzt mal ganz weit ausgreife- an die Bedeutung einer gotischen Kathedrale, die da seit hunderten von Jahren eine Gesellschaft prägt. Oder ein wichtiges Museum oder der Rathausplatz oder eine Straße- und letztlich ist unsere Arbeit die, daran zu arbeiten, dass Architektur wieder so verstanden wird, nämlich in diesem gesellschaftlichen Bedeutungsraum. Und da ist noch viel zu tun, weil so wird Architektur, glaube ich, nicht mehr gelesen im Moment. Da sind wir Architekten selbst dran Schuld, dass wir im Kult um Star-Architektur das so ein bisschen verkommen haben lassen zu so einem Verkaufsrendite, Aufmerksamkeitsobjekt. Aber das ist Architektur nicht und- sondern wir merken vielleicht hier am Beispiel der Schule, was Architektur alles sein kann.
Florian Geierstanger: Und jetzt kommt diese Abschlussfrage, wie- es geht eben noch mal um die Zukunft, noch ein bisschen mehr. So, wenn Sie die Augen so ein bisschen schließen, was denken Sie oder können Sie ein Bild zeichnen? Wie stellen Sie sich die Schule vor in zehn Jahren oder in 20?
Dirk Bauer: Also ich glaube, ein spannender Punkt, der jetzt erst beginnt und über den wir, glaube ich, selbst auch noch gar noch nicht so nachgedacht haben, aber welcher Einfluss werden die digitalen Medien auf das Schulhaus und die Schulfamilie und das Lernen haben? Das stelle ich mir spannend vor, weil die ganz vielen Dinge, die ich jetzt hier noch habe und die ich installiert habe, die ich wirklich sozusagen analog vor Ort habe, gar nicht mehr brauche, auch reduzieren kann, was auch Freiheiten wieder ermöglicht. Freiheiten in der Raumausbildung oder Freiheiten, den Raum für andere Nutzungen und Möglichkeiten offen zu haben. Und das ist ein Punkt, da bin ich gespannt, wie schnell und in welchem Umfang das unsere Arbeit beeinflussen wird.
Felix Schürmann: Ja. Wobei man es auch als Gegenmodell lesen kann. Dass gerade in der Gefahr, dass das Leben sich in mediale Strukturen stofflich auflöst, dazu kommt, dass es umso wichtiger ist, einen Ort anzubieten, um da wieder eine Verankerung- so, wie du es eben auch über das Material beschrieben hast, so kann man es über das Haus ja auch erzählen. Dass dieses Haus der wirkliche physisch begreifbare Ort ist, miteinander- Zusammenkommens, weil alle Medien- hin oder her- in unserer Gesellschaft dieses sich gegenseitig anfassen können und sehen können und so- wenn sie das beginnt zu verlieren- und ich denke, dass sie beginnt, es zu verlieren- dann ist es nicht gut.
[Musik] Florian Geierstanger: Herr Schürmann, Herr Bauer, vielen Dank für dieses Gespräch. Sehr interessant, sehr- einfach- Also ich bin immer noch weiter neugierig. Könnte weiter fortsetzen, mit Ihnen durch die Schule zu gehen. Ich lese noch den Abspann vor. Ich möchte mich auch bedanken bei den Unterstützern dieser Folge, bei der Franziska Timmer, die das Material schneidet, die heute nicht bei der Aufnahme dabei sein konnte. Beim Eduard Arndt, der uns vor zwei Wochen hier durchgeführt hat und erst mal auf den Pfad geführt hat, den Campus Freiham zu verstehen und Begeisterung dafür zu entwickeln. An die Katharina Rieger vom Referat für Bildung und Sport. Die hat das genehmigt von der Öffentlichkeitsabteilung. An die Schulleiterinnen und Schulleiter vom Campus Freiham, Frau Wobidu, Frau Schneider, Herr Schranner, Frau Schewe und Frau Leogrande. Die haben sehr freundlich sofort zugesagt, sie sind dabei. Sie öffnen uns das Haus für diesen Podcast. Vielen Dank. Und danke auch an die ZuhörerInnen fürs Zuhören. Ich erkläre noch kurz den Rahmen. Dieser Podcast ist im Rahmen eines Dokumentarfilmprojekts findet er statt. Da geht es um die Münchner Lernhäuser. Alles darüber finden Sie auf der Internetseite lernhausfilm.de. Dort gibt es auch einen Newsletter zum Thema. Einsendungen, Fragen, Anregungen, Wer sind in Ihren Augen wichtige Gesprächspartnerinnen?