1: Eduard Arndt, Beratungsrektor für Lernhausschulen

Transkript

Florian Geierstanger: Also ich sag mal, was ich mir unter Podcast vorstelle. Und zwar ich stelle mir vor, das ist nicht nur das normale Interview, dass so voll durchgetaktet ist, sondern das ist so ein bisschen lockerer. Wir können rumgehen, wir können einfach so uns unterhalten. Ich habe schon einen Fahrplan, was ich gerne alles besprechen möchte. Also es ist schon für ein Publikum. Und auch für ein Publikum das weniger weiß als wir zwei. Das passt jetzt gut, dass die Franziska da ist. Dann machen wir das einfach für die Franziska und erklären Franziska gemeinsam. Versuchen wir, oder ich versuch dich so zu fragen, dass du ihr alles erzählen kannst. Gut! Du hast schon eingeschaltet, oder? Klar (lachen). Also gut, ich fange jetzt an mit meinem Zettel (Musik).

Florian Geierstanger: Herzlich willkommen zum Lernhaus Podcast. Mein Name ist Florian Geierstanger, und ich spreche in dem Podcast mit Akteuren aus dem Bereich vom Münchner Lernhauskonzept. Und mit mir ist heute die Franziska Timmer, und sie ist zum ersten Mal in einem Lernhaus. Wir sind in der Grundschule Bauhausplatz, und das ist eines der ersten Schulen, die in München nach diesem neuen architektonischen Prinzip gebaut wurden. Und also eine neue Architektur, die macht ja nicht sofort einen neue Schule, die macht nicht sofort einen neuen Unterricht. Da entstehen nicht sofort die Teams, die in diesen Schulen arbeiten, die verändern sich nicht sofort. Sondern das ist ein ganz langsamer, schrittweiser Prozess. Und um diesen Prozess zu machen, da holen sich die Schulen Experten von außen herein. Und mit so einem Experten sprechen wir heute, das ist Eduard Arndt, herzlich willkommen, Eduard.

Eduard Arndt: Hallo Florian, hallo Franziska.

Florian Geierstanger: Schön, dass Du heute Dir Zeit nimmst mit uns zu sprechen. Du hast jetzt den Titel, wie hatte ich den Titel aufgeschrieben von dir?

Eduard Arndt: Gut, dass Du ihn auch nachlesen musst, ich muss auch immer wieder neu überlegen (lachen).

Florian Geierstanger: Ja. Beratungsrektor. Du bist ein Beratungsrektor der Landeshauptstadt München, im Referat Bildung und Sport. Und du berätst die Schulen bei diesem spannenden Prozess, wie sich die von einer herkömmlichen Schule, wie wir sie alle kennen, in der wir alle waren, wie sich die weiter entwickeln, zu einer Schule, wie wir sie gern hätten, wie sie in Zukunft sein soll.

Eduard Arndt: Genau, das tue ich.

Florian Geierstanger: Genau. Und wir stehen jetzt in dieser Grundschule Bauhausplatz, mitten in einem dieser neuen Lernhäuser. Und wir fangen jetzt einfach einmal an, zu erklären. Also wir machen ein Audio-Podcast. Wir sehen alles, aber die Zuhörer, die Zuhörerinnen, die sehen natürlich das nicht, was wir sehen. Und wir fangen jetzt einfach einmal an, zu erklären-. Oder ich frage Dich, Eduard, beschreib doch einmal, wo wir sind, wie es hier ausschaut, bitte.

Eduard Arndt: Ich würde eigentlich fast die Frage an Franziska weiterleiten, dass sie einmal beschreiben soll, wie es denn hier aussieht, wie es ihr vorkommt, was sie für ein Gefühl mitbringt, wenn sie jetzt hier in einem neuen Schulgebäude der heutigen Zeit steht.

Franziska Timmer: Also, das Erste, was mir aufgefallen ist, wir stehen hier gerade auf so einem riesengroßen, runden, gelben Teppich. Und der bildet auch so ein bisschen, habe ich zumindest so das Gefühl, so vom ersten Eindruck, irgendwie das Zentrum, dieses Lernhauses. Und außen rum sind verschiedene Räume angeordnet, mit verglasten Scheiben. Und man sieht dann so, ja, Art Klassenzimmer. Genau, dann sehe ich hier noch so, für mich bisher noch undefinierbare Holzobjekte. Und insgesamt ist es auch sehr luftig, offen, viel Holz, viele Fenster, gemütlich wirkt es.

Eduard Arndt: Mhm. Ja das ist schön, dass Du sagst, das ist natürlich das, was wir versuchen, auch die Atmosphäre hier reinzubringen. Diese typische Schulbauten, wie wir sie alle kennen, die vielen vielleicht immer noch Angst machen, und das wollen wir natürlich nicht mehr so weiterführen. Also Franziska, Du hast es richtig erkannt, wir stehen hier tatsächlich in der Mitte eines Lernhauses (Franziska Timmer: Yes!), ja, und der Teppich symbolisiert das in dem Fall ganz gut. Das ist sogenannte Forum des Lernhauses, und wie Du auch richtig gesagt hast, sind alle Räume, die zu einem Lernhaus gehören, um diese Mitte formiert. Das sind ganz unterschiedliche Räume, also offiziell werden sie Klassenräume und Raum für ganztägige Betreuung genannt. Aber die Nutzung dieser Räume ist den Schulen eigentlich ganz selbst überlassen. Also sie können ihn als Klassenraum benutzen und 45 Minuten Frontaleinheiten durchführen, sie müssen aber nicht. In so einem Raum kann genauso gut eine Werkstatt eingerichtet werden, oder ein Ruhebereich, oder ein Kommunikationsbereich. Ich denke, das wird im Entwicklungsprozess der Schule nach und nach auch verändert werden. Ja, aber zu Beginn stellen wir natürlich fest, dass die alten Strukturen, wie wir sie übertragen haben von den auch alten Schulen, erst einmal eingesetzt werden. Also, dass die Klassenräume auch als solche genutzt werden, und die Ganztags-Betreuungsräume auch nur für den Ganztags-Kooperationspartner betreut werden. Und diese Mitte also nach und nach entdeckt wird. Und dann plötzlich auch mit Möbeln, Ausstattungsgegenständen, diese Holzpflöcke, die Du gesehen hast, ja, zum Leben erweckt werden. Wenn Du jetzt schon wissen willst, was es ist-.

Franziska Timmer: Was, diese Holzpflöcke sind? (Eduard Arndt: Ja.) (lachen) Ja, also das sind-. Ich weiß nicht, ob Ihr Jenga kennt, aber ich finde so sieht es ein bisschen aus, also wie diese aufeinander gestapelten Holztürme

Florian Geierstanger: (?Das ist das Forum), genau, mit so 15 stockwerkige Türmen.

Eduard Arndt: So sieht es aus, es ist tatsächlich dazu gedacht, dass man hier schreibt. Tablets, oder Tab-, ja wie man es auch immer nennt, so Blöcke hier reinspannen kann, auf ganz unterschiedliche Höhen. Das heißt, wenn ich als Kind mit meinem Block, mit meinem Schreibunterlage komme, dann kann ich das hier ganz unten einklemmen, und kann mich dann auf den Boden setzen und im Sitzen schreiben oder lesen oder zeichnen. Oder ich möchte das im Stehen tun und kann das dann hier oben einspannen. Und das kann ich halt im gesamten Lernhaus verteilt, mir den Ort suchen, den ich dazu brauche.

Florian Geierstanger: Ich gehe jetzt noch einmal einen Schritt zurück. Ihr seid jetzt schon bei den Möbeln. Ich möchte jetzt noch einmal zurück zu diesem architektonischen, zu der Grundidee, oder zu der Grundaufteilung, was es hier gibt für Räume. Also es gibt die Mitte, in der stehen wir, mit dem großen gelben Teppich. Ein riesiger Raum, und um diese Mitte gruppieren sich Zimmer. Und es sind erst Mal vier Klassenzimmer, die sich da rum gruppieren, in den Ecken immer, relativ kleine Klassenzimmer. Wir können da auch so reinschauen, wir sehen die Stühle-.

Eduard Arndt: Naja, so klein sind die nicht, die sind größer als in herkömmlichen Schulen. (Florian Geierstanger: Mhm.) Sie sind so ungefähr um die 64 m2

Florian Geierstanger: Wir gehen jetzt in eines, in ein Lern-, in eine-.

Franziska Timmer: Wir versuchen es!

Florian Geierstanger: In ein abgesperrtes Klassenzimmer. Wir können reinschauen durch die Glastür.

Eduard Arndt: Wir können aber auch rein

Florian Geierstanger: Nö, das ist abgesperrt, weil wir sind ja mitten in den Ferien, in den Sommerferien.

Franziska Timmer: Deswegen ist es hier ja auch so ruhig. (Aufschließ-Geräusche) (10 Sek.)

Florian Geierstanger: So, hereinspaziert.

Eduard Arndt: Ja, also jetzt sind wir in einem dieser vier Klassenzimmer, die zu diesem Lernhaus gehören.

Franziska Timmer: Da ist schon wieder ein gelber runder Teppich in der Mitte.

Eduard Arndt: (Lacht.) Ja, und außen rum, wahrscheinlich Dir auch noch unbekannt, eine ganz andere Art von Möbel. Nicht mehr einzelne Tische und Stühle, sondern wir haben hier auch in einem Kreis formiert, Tische aneinandergerückt und in dem Innenkreis Bänke stehen, und im Außenkreis Stühle. Das ist die neue Art, auch eine Weiterentwicklung dieser Klasse, dass sie nämlich die Impulsphasen im Kreis durchführen. Und danach, nach dieser Impulsphase, nach zehn, 15 Minuten dann sich im Raum verteilen können, oder eben im Forum sich verteilen können. Oder in den Räumen, die an dieses Klassenzimmer grenzen, die auch direkt vom Klassenzimmer durch ein Tür begehen werden können. Auch zu diesem Zimmer gibt es eine Scheibe, wo man immer wieder hineinschauen kann.

Franziska Timmer: Impulsphase heißt jetzt praktisch eine Form von Inputphase? Also da wird irgendwas unterrichtet, gelehrt, und danach können sie sich dann verteilen.

Eduard Arndt: Eingeführt, genau. Ein Thema, ein neues Thema eingeführt. Und danach, genau, erarbeiten sie das Thema für sich.

Florian Geierstanger: Also die, hier ja-. Man stellt sich jetzt vor, hier sitzt die ganze Klasse, hier sitzen 23 Schüler, Schülerinnen, die Lehrerin oder der Lehrer steht in der Mitte, oder wo ist der?

Eduard Arndt: Der ist, der kann ganz unterschiedlich. Je nachdem was er natürlich für eine Aufgabe hat. Also er kann sich genauso mit in den Kreis stellen. Das sieht man auch schon, hier hat sich die Lehrkraft einen Stuhl schon hin positioniert. Also sie sitzt genau in, als Teil des Kreises definiert. Und es muss ja nicht immer die Lehrkraft sein, die nachher was präsentiert, oder in ein Thema einführt, sondern das können genauso gut eine Schülerin, ein Schüler sein, und nimmt dann diesen Stehpult zu Hilfe, um was zu präsentieren.

Florian Geierstanger: Okay, die Impulsphase ist abgeschlossen, wie-, wir machen einfach einmal so eine pseudo, idealisierte Unterrichtsstunde. Die ist jetzt abgeschlossen, wie geht es jetzt weiter? Also was passiert als nächstes

Eduard Arndt: Ja, die Kinder habe in der Regel eine Form eines Auftrages, was sie, wie sie sich in ihren Kompetenzen weiterentwickeln können. Das haben sie vielleicht auf einem Blatt Papier stehen, oder sie haben die Beratung von der Lehrkraft. Auf jeden Fall wissen sie, was jetzt zu tun ist. Und dann können sie, mit all dem, was sie dafür brauchen, sich den nötigen oder richtigen Platz aussuchen. Also, wenn ich noch eine Frage habe, ich habe etwas nicht verstanden in dieser Impulsphase, dann suche ich natürlich die Lehrkraft auf, die im hinteren Teil des Klassenzimmer eine Beratungsstelle eingerichtet hat. Und hier können sich die Kinder, oder die Jugendlichen in den weiterführenden Schulen, das wird ja dann das Gleiche sein, hier die Beratung abholen.

Florian Geierstanger: Franziska, wieso lachst Du? Also-.

Franziska Timmer: Ja, weil Beratungsstelle sehr witzig klang, finde ich.

Eduard Arndt: (Lacht) Mhm. Das ist unüblich, ne.

Franziska Timmer: Ja genau … #00:10:20-8# Vokabular. (Eduard Arndt: Ja.) … #00:10:23-7# (lacht).

Eduard Arndt: Wenn ich aber natürlich das Thema voll und ganz verstanden habe. Ich kenne das schon, oder ich möchte mich detaillierter einarbeiten in das Thema, dann suche ich mir vielleicht einen Platz aus, wo ich selber für mich arbeiten kann und schau einmal aus dem Klassenzimmer heraus.

Florian Geierstanger: Also gehen jetzt, wir sind jetzt diese schnelle Gruppe, die braucht keine Beratung.

Eduard Arndt: Genau.

Franziska Timmer: Genau, wir haben alles verstanden.

Florian Geierstanger: Wir sind jetzt diese Schnell-Checker und rennen jetzt aus dem Klassenzimmer raus.

Eduard Arndt: Schnappe mir mein Brett.

Franziska Timmer: Und dann dürften wir uns jetzt auch auf diese gemütlichen Sitzkissen fläzen, theoretisch?

Eduard Arndt: Dürft ihr Euch auch. Ihr seid ja die Schnell-Checker, ich bin jemand der muss sich das noch- einlesen. Spann hier mein Brett ein.

Franziska Timmer: Und wir setzten und jetzt-.

Florian Geierstanger: Wir haben uns jetzt einfach einmal in diese Riesen-Sitzkissen gelegt.

Franziska Timmer: So macht lernen Spaß!

Florian Geierstanger: Das Podcast macht jetzt eine kleine Pause. Aber nee, wir lernen ja weiter.

Eduard Arndt: Genau. Ich kann natürlich auch-.

Florian Geierstanger: Nur an einem anderen Ort.

Eduard Arndt: Oder vielleicht kann das auch sein, dass ich ein Gedicht einüben muss, oder wir üben ein Theaterstück ein, dann braucht das ja mehr Personen. Dann suche ich mir natürlich einen Platz, wo es Möglichkeiten gibt, wo wir uns zusammensetzen können. Und da brauchen wir nur in den benachbarten Raum zu gehen. Dort finden wir Anordnungen von Tischen und Stühlen, die in einer Gruppe zusammengestellt sind. Oder aber auch Couchelemente, die ganz locker im Raum stehen, wo man sich dann zu dritt, zu viert, zu zweit zusammensetzen kann und Dinge besprechen oder einüben. Und des Weiteren gibt es noch in diesem Raum, sehen wir noch einen Teppich. Der ist diesmal nicht rund, falls es Dir aufgefallen ist Franziska (Franziska Timmer: Stimmt.), der ist viereckig. Und er hat sogar einen Bühne draufstehen. Also hier können die Kinder ihr Theaterstück, ihr Lied, was auch immer sie vorhaben, einstudieren, und ganz eigenständig und selbstorganisiert das durchführen.

Florian Geierstanger: Jetzt frage ich einmal ganz einfach, wo kommen denn diese ganzen Räume her? Weil es ist ja jetzt nicht eine besondere Schule, sondern ist eine ganz normale Regelschule mit einem ganz normalen Budget einer Regelschule gebaut. Warum haben die soviel Räume, warum haben die diese riesen Mitte? Warum haben die neben, immer zwischen zwei Klassenzimmer noch einmal ein drittes Zimmer, wo sie sich zum Beispiel auf diese Bühne da stellen können, oder zu Gruppenarbeit zurückziehen. Wie haben sie das geschafft?

Eduard Arndt: Ja, jetzt kommen wir plötzlich ein eine Strategische Ebene, lieber Florian, das ist tatsächlich ein Clou gewesen, ein gut durchdachtes Konzept gewesen. Da kommen wir jetzt zu der (?Mythe) Lernhauskonzept. Indem man, oder man hat die Bedarfe natürlich erkannt, aus den Erfahrungen, die man jahrzehntelang mit dem Schulbau, oder mit Schulen herkömmlicher Art, gemacht hat, und hat gesagt, das muss anders sein. Weswegen wir ja auch auf eine ganz andere Anordnung, also nicht mehr diese linear strukturierte Anordnung der Räume kommen, sondern es bildet hier einen Gemeinschaft ab.

Florian Geierstanger: Also das wäre das lineare, das wäre dieser lange Flur, wo die Klassenzimmer sich so eines nach dem anderen aufreihen, und die Türen sind alle geschlossen. Hier sind ja lauter Glastüren, man kann überall reinschauen. Aber Du beschreibst jetzt dieses alte Modell einer Schule die Flurschule.

Eduard Arndt: Flurschule, linear strukturiert, sogar hierarchisch klar abgebildet. Also eine klare Hierarchie. Wohingegen wir hier einen eher demokratische Struktur entdecken können, mit einem Marktplatz, wo sich die Gemeinde treffen kann und sich austauschen kann, mitbestimmen kann, sich wertschätzen kann, dass ich hier leben kann. Und ja, diese Struktur mit diesen Räumen haben wir eben so hinbekommen, dass wir die Räume, die uns zustehen, die auch gefördert werden durch das Bundesland Bayern, dass wir diese Flächen genommen haben und anders strukturiert haben. Das war das eine. Und es gibt auch Räume in diesem geförderten Programmen, die wir gar nicht mehr verwenden brauchen. Also IT-Räume zum Beispiel oder EDV-Fachlehrsäle so wie es genannt wird. Also es gibt Räume, die wir wirklich heutzutage ganz anders abbilden können, und die haben wir dann gestrichen beziehungsweise nicht gestrichen, sondern umgewandelt in solche Flächen wie wir sie hier sehen.

Franziska Timmer: Praktisch Flächen-Umnutzung.

Eduard Arndt: Ja.

Florian Geierstanger: Aber ich frage das natürlich, weil ich das ja weiß, dass das jetzt hier, das ist ein mehrfach genutzter Raum, in dem wir jetzt stehen, der Raum zwischen zwei Klassenzimmern, das ist der Raum, in dem auch die Nachmittagsbetreuung stattfindet.

Eduard Arndt: Das erlebt man im Normalfall so, dass die Nachmittagsbetreuung in einem separaten Gebäude stattfindet. Und wenn man sich aber vorstellt, dass das die gleichen Kinder sind, und natürlich die Art der Bildung und die Art der Erziehung durchaus Synergien braucht, oder eine Fortführung braucht, eine logische Fortführung von Vormittagsunterricht und Nachmittagsbetreuung, das hat ja was miteinander zu tun. Zumindest sind die Kinder die gleichen. Und hier hat man das eben geschafft, beide Partner zusammenzubringen. Das heißt auch, dass die Kolleginnen und Kollegen, also die Lehrkräfte oder die PädagogInnen, Sozialpädagogen, ErzieherInnen, hier in einem Team zusammenarbeiten. Und hier Möglichkeiten haben, auch sich besser abzustimmen, besser abzusprechen

Florian Geierstanger: Gehen wir doch gleich ins nächste Zimmer. Hier gibt es ja noch ein Zimmer, noch zwei Zimmer, die hier noch in diesem Lernhaus, in dieser kleinen Einheit, dieser kleinen Schule in der großen Schule ist, und zwar ist das das Teamzimmer. Auch von dem großen, runden Teppich in der Mitte gehen wir jetzt in das Teamzimmer. (Aufschließgeräusche) Wir müssen es aufsperren, weil eben keiner drin ist heute, in den Ferien. Aber wir könnten auch, wenn wir uns vorstellen, wir wären zwei Schüler, wir könnten auch sehen, ob jemand drin ist oder nicht. Weil das Teamzimmer hat, also, das ist wie ein kleines Aquarium, das ist voll verglast.

Eduard Arndt: Und ich kann ich Euch auch sehen. (Klopfgeräusche.)

Florian Geierstanger: Ja, (lachend) genau, der Herr Arndt kann uns auch sehen. Dürfen wir zu Ihnen mal reinkommen?

Eduard Arndt: Seit wann siezen wir uns? Ach so, Sie sind Schüler!

Franziska Timmer: Genau!

Florian Geierstanger: Wir sind jetzt kurz in der Schülerrolle.

Eduard Arndt: Genau. Also das heißt, vollkommen richtig, also hier sieht man schon den Vorteil eines Teamraums. Der ist nicht für Schüler verboten. Es gibt auch mittlerweile Tendenzen, wo man sagt: Eigentlich brauchen wir als Lehrkräfte gar keinen festen Platz. Wir überlassen es den Schülern. Aber das muss nicht so sein. Also, es ist tatsächlich gedacht, dass hier sich die, ich habe es ja vorher erwähnt, die Sozialpädagogen, Erzieher, die Lehrerinnen und Lehrer, hier in diesem Zimmer planen, konzipieren, abstimmen, besprechen, wie sie vorgehen, für den einzelnen Schüler, also individuell das bestimmen. Und dadurch, dass es in diesem Lernhaus nur, in Anführungszeichen, vier Klassen gibt, habe ich natürlich auch die Möglichkeit, die Kinder hier ganz anders kennenzulernen. Die begleite ich sozusagen von Schultag eins, bis sie die Grundschule verlassen. Diese Beziehung kann natürlich ganz anders aufgebaut werden als in einer herkömmlichen Struktur, wo ich vielleicht als Lehrkraft immer wieder wechselnde Kinder habe, wechselnde Klassen habe, und auch wechselnde Lehrer natürlich, aus der Perspektive des Kindes gesehen, habe. Wo ich mich immer wieder neu einstellen muss und immer wieder meine Geschichte erzählen muss, oder vielleicht auch mal eine Geschichte gar nicht, ja, gar nicht weiterkommt, weil das viel zu aufwändig wäre, und somit auch die Entscheidungen oder mein Verhalten nicht entsprechend ist. Also als Lehrkraft.

Franziska Timmer: Das heißt konkret, an der Schule hier sind jetzt nur vier Klassen?

Eduard Arndt: Nee, wir haben ja insgesamt fünf Lernhäuser à vier Klassen. Das heißt, in einem Lernhaus sind 100 Kinder. Und wir haben fünf Lernhäuser, dann haben wir 500 Kinder, ja. Am Bauhausplatz.

Franziska Timmer: Und wie viele Lehrkräfte sind dann jeweils in diesen Teams?

Eduard Arndt: In diesen Teams-. Ganz unterschiedlich, weil die Lehrkräfte ja nicht immer zu 100 Prozent arbeiten, es gibt auch Teilzeitlehrkräfte. Und deswegen gibt es Teamstärken von vier bis acht ungefähr. Pädagoginnen und Pädagogen.

Florian Geierstanger: Das ist ein … #00:18:58-2#-Lehrer. Weil die normalen Vormittagspädagogen, aber da kommen ja noch mehr ins Team dazu.

Eduard Arndt: Genau, also, acht, bei acht bin ich schon, wenn dann Erzieher und Sozialpädagogen mit dazu kommen. Genau.

Florian Geierstanger: Welche Klassen, sind ja hier vier in diesem Lernhaus, vier Klassen, oder in allen Lernhäusern dieser Schule sind immer vier Klassen. Welche Klassen wären denn das? Also sind das jetzt hier die vier ersten Klassen? Oder, wir sind hier in B, sind das dann bei B, die vier zweiten Klassen?

Eduard Arndt: Ja, das ist, also aus der Konzeption heraus, das Münchner Lernhauskonzept, empfiehlt, die Klassen eins bis vier hier unterzubringen. Damit die Kinder auch die Möglichkeit haben, altersübergreifend zusammen zu lernen. Das ist sehr schwierig erst einmal, sage ich einmal, von den herkömmlichen Strukturen in diese altersübergreifende Struktur zu kommen, weshalb viele Schule damit beginnen, und so hier auch, erste und zweite Klassen in einem Lernhaus zu haben, also zwei erste und zwei zweite Klassen. Und natürlich in den, die älteren Schüler, sind es zwei dritte und zwei vierte Klassen. Und so hat man eben, begleitet man die Kinder auch. Aber das heißt auch für das Team, dass sie nach zwei Jahren die Kinder sozusagen übergeben, in das nächste Lernhaus.

Franziska Timmer: Also dann ein Stockwerk weiter nach oben.

Eduard Arndt: Ja. Je nachdem, wo es … #00:20:22-9#, das ist ja auch ganz unterschiedlich. Also das schreiben wir den Schulen natürlich auch nicht vor, sondern das entwickeln die auch ganz eigenständig.

Florian Geierstanger: Und also, ist es jetzt so, wenn jetzt eine Schule, sagen wir, die ist jetzt hier seit zwei Jahren wurde die eröffnet, diese Grundschule Bauhausplatz. Die haben jetzt dieses neue architektonische Gebäude mit diesen, mit der Mitte und den vier Klassenzimmern außen rum. Differenzierungsräume, Teamzimmer, und dann hast ja Du beschrieben wir der Unterricht abläuft, eine Impulsphase und dann rennen die alle raus und teilen sich in kleine Gruppen auf, nach Geschwindigkeiten, machen vielleicht dann, wie wir es jetzt grade so angetastet haben, vielleicht auch noch klassenübergreifend, dass dann die Erstklässler mit den Zweitklässlern was gemeinsam machen. Also haben die dann vor zwei Jahren sofort so angefangen? Oder wie war das?

Franziska Timmer: Das ist eine gute Frage. Ich war ja vor zwei Jahren gar nicht dabei. Also ich kam tatsächlich-. Die Schulleitung hat mich gebeten, einmal vorbeizukommen, nach zwei Jahren, und eine Art Begleitung, ja, mitzumachen. Also die Teams zu begleiten und weiterzuentwickeln. Und deswegen bin ich erst seit ungefähr drei, vier Monaten tatsächlich hier und erlebe wie sich das im Gebäude sozusagen weiterentwickelt. Davor, als es diese Beratung noch nicht gab, haben wir das natürlich alles gar nicht mitbekommen, und auch die ganzen Schwierigkeiten, die damit einhergehen. Die Schulen waren allein gelassen, und mussten sich selber orientieren und selber reflektieren auch, das fällt ihnen natürlich sehr schwer, so dass wir auch, ja, eigentlich dem Kind, also aus der Perspektive des Kindes da nicht viel voranbringen, was wir eigentlich voranbringen sollen. Und hiermit haben wir die Möglichkeit, durch auch Partner, die wir mit hinzuziehen. Hier haben wir zum Beispiel die Ludwig-Maximilians-Universität mit an Bord, die den Schulen oder den Teams auch unter die Arme greifen und mit ihnen gemeinsam Unterrichtskonzepte entwickeln. Von denen kamen auch die Vorschläge zum … #00:22:32-2#. Da haben wir natürlich jetzt ganz andere Möglichkeiten, also wenn das die Schule für sich alleine machen muss, in dem Alltagsbetrieb, wo sie so viel zu tun haben und dafür wenig Zeit bleibt.

Florian Geierstanger: Franziska, Du bist ja ausgebildete Realschullehrerin?

Franziska Timmer: Nicht komplett. Erstes Staatsexamen.

Florian Geierstanger: Erstes Staatsexamen. Okay.

Eduard Arndt: Immerhin.

Florian Geierstanger: Wenn Du jetzt einfach anfangen würdest, an einer neuen Schule, und Du hättest Deinen ersten Unterrichtstag, dann würdest Du ja wahrscheinlich nicht sofort diese ganzen Teammethoden, und die Kinder rausschicken, wärst Du da auf die Idee gekommen?

Franziska Timmer: Von mir aus, nee. Und auch nicht von meiner Ausbildung her. Also ich glaube auch nicht, dass ich in meinem, jetzt, sagen wir einmal in meinem ersten Jahr als fertige Lehrerin den Mut gehabt hätte, zu sagen: “Ja, geht einmal raus, macht einmal.” Und komischerweise auch aus dem Impuls heraus, dass ich gesagt hätte: “Ja die machen doch dann was sie wollen.” (Florian Geierstanger: Mhm.) Also ich weiß nicht, ob ich das Vertrauen gehabt hätte. Aber wahrscheinlich auch, weil mein Lehrkonzept davor auf was anderem basiert hätte. Ja, so, ich wurde nicht so ausgebildet. (Florian Geierstanger: Ja) Um es kurz zu sagen.

Florian Geierstanger: Und Du wurdest auch nicht so geschult, also Du (Franziska Timmer: Nee.), als Du selbst in der Schule warst, da war es ja auch nicht so. Da gab es vielleicht einmal einen Projekttag oder so etwas, oder einmal eine Gruppensache. Oder zumindest, ich rede jetzt von mir, also bei meinem (lachend) Unterricht-.

Franziska Timmer: (Lachend) Du weißt ja gar nicht, wie es bei mir war!

Florian Geierstanger: Ich weiß ja gar nicht wie es bei Dir war, nein! Aber bei meiner eigenen Schulzeit, 13 Jahre in Oberstdorf, da war es halt einfach so, da waren die Türen immer zu. Und der Lehrer stand vorne und wir saßen drinnen. Und da gab es natürlich schon einmal ein Referat, aber das war es dann eigentlich auch. Und ich habe ja nach meinem Kunststudium auch einmal ein Jahr Kunst unterrichtet im Gymnasium in Moosburg, und da war es halt auch so. Also ich war einfach so als externer Lehrer da, ohne Ausbildung und hab es einfach so gemacht wie ich dachte, dass man eben Unterricht macht. Und das war eben so, ich habe mich halt reingestellt vor die Klasse und habe denen was erklärt und dann haben die gearbeitet, erst Mal jeder für sich, und-. Es war einfach meine sehr fixe Vorstellung, wie Unterricht eben ist, wie Unterricht normalerweise läuft. Und deswegen, es-. Jetzt geht es wieder zurück zu dir Eduard, wie Du, Du bist ja nicht aus der Schule dann sofort der Entwicklungsrektor oder Beratungsrektor der Stadt München geworden, sondern da gab es ja mehrere Stufen davor, oder in denen Du überhaupt so weit kamst, oder dass Du jetzt die Schulen berätst. Und deswegen-. Ich würde gerne Deine Biographie so ein bisschen aufgreifen, und einfach da zurückspringen. Und Du hast auch als Realschullehrer angefangen (Eduard Arndt: Ja.), wo war das und-?

Eduard Arndt: Ja, ich habe mein erstes Staatsexamen in Weingarten, das ist in der Nähe vom Bodensee, also bei Ravensburg, gemacht. Also mein Studium, Lehramt-Studium und mein zweites Staatsexamen dann an einer Realschule in Langenau bei Ulm. Und nach dem zweite Staatsexamen wollte ich weg aus Ulm, einfach einmal was Neues erleben, und bin dann in München gelandet, an der Willy-Brandt-Gesamtschule im (?Hasenberge). Auch eine einzigartige Schulart, die es in Bayern auch nur ein einziges Mal gibt. Und das war natürlich für mich neu. Ich hatte, ähnlich wie Ihr das gerade erklärt habt, genauso diese tradierten Werte, die man mitbekommt in der Schule, sowohl als Schüler als auch als Lehrkraft, in der Ausbildung mitbekommen und habe das dann auch versucht, so umzusetzen. Ja, nur ist das eben, gelingt das nicht so wie man sich das vorstellt. Und dann fängt man an zu hinterfragen, zu reflektieren, warum ist das so und wie kann man das ändern? Aber das-.

Florian Geierstanger: Erzähle einmal so ganz konkret, was gelingt da nicht, also, was, wie war da so (?Dein Gefühl) das Erlebnis irgendwie in einem nicht gelingenden Unterricht-?

Eduard Arndt: Ja, unterschiedlich. Also was man ja versucht zu erreichen, ist ja die Kinder weiterzuentwickeln in ihren Kompetenzen. Und was man tatsächlich macht, ist die Buchseiten durchackern, und schauen, dass man die vorgeschriebenen Themen, die in den Lehrplänen stehen dann weiterzutragen … #00:27:08-8#, aber dass das gar nich an die Kinder kommt. Ich musste immer wieder feststellen, dass das, was ich unterrichte, ganz weit weg ist von das, was die Kinder an Erfahrung haben. Also wenn wir zum Beispiel Plattentektonik besprochen haben, und wie dadurch auch die Berge entstehen. Und wenn wir erstmal, dann eines Tages einmal, auf Ausflug waren, in den Alpen, und die Kinder aus dem Zug ausgestiegen sind und ganz erstaunt geschaut haben und zum ersten Mal die Berge gesehen haben, da habe ich mich schon gefragt: “Was tun wir da eigentlich?” Wir versuchen etwas den Kindern theoretisch beizubringen, wovon sie überhaupt gar keine Ahnung haben, gar keine Erfahrung haben, das nie gerochen, gesehen, geschmeckt, durchgeführt haben, was auch immer. Und das war ein Moment für mich, der eigentlich fast nicht auszuhalten war. Aber man muss dazusagen, dass wir damals auch Unterstützung von außen gehabt haben, dass ich mit dieser Unterstützung auch ein Coaching bekommen habe, was mich erst einmal in die Lage gebracht hat, mich selber reflektieren zu können. Und das was so der Schlüssel, oder der Startpunkt meiner ganzen Veränderung, auch die Veränderung meines Arbeitsfeldes.

Florian Geierstanger: Mhm. Also das war das Institut für selbstorganisiertes Lernen, aus Ulm. (Eduard Arndt: Richtig.) Die haben Euch da beraten, als Willy-Brandt-Gesamtschule, und was hat jetzt dieser Coach von diesem Selbstlern-Institut, was hat der mit Dir gemacht, oder mit Euch als Team? Wie kann man sich das vorstellen?

Eduard Arndt: Ja, er hat das getan, oder die Menschen, die dort gearbeiten haben das getan, was wir jetzt, oder ich jetzt auch in meinem Job tue: Fragen gestellt. “Warum ist das so?” “Warum macht ihr das so?” “Woher kommt das?” Und dabei stellt man fest, dass ganz viele Dinge, von denen man so felsenfest überzeugt ist, gar keine-.

Franziska Timmer: Das war halt schon immer so.

Eduard Arndt: Genau! -gar keine pädagogische Begründung hatte. All das, was wir kennen von Schule, 45-Minuten-Einheiten, Fächerstrukturen, Stundenpläne, die Gebäude selbst, das ist niemals aufgrund einer-. Oder Ferienzeiten auch. Das ist niemals aufgrund einer pädagogischen Überlegung entstanden, sondern das, einfach aus praktischen Gründen, aus organisatorischen Gründen. Wie kriegen wir, und das war ja auch damals, Nachkriegszeit, auch durchaus, sagen wir, verständlich. Wie können wir die Kinder schnellstmöglich bilden, weiterbilden, und mit den vorhandenen Menschen, die es, eigentlich dafür gibt es viel zu wenige-. Aber das hat sich, eben, so von Jahr zu Jahr, von Jahrzehnt zu Jahrzehnt, von Jahrhundert zu Jahrhundert, weitergetragen, und das Selbstverständnis dadurch weiter, oder als Institution dann so verfestigt, dass wir das einfach so übernommen haben, ohne zu hinterfragen. Und das war der Schlüssel. Dann, natürlich geht es auch darum zu wissen, wie kann man das denn methodisch überhaupt machen. Franziska, Du hast es ja angesprochen, also, die Kinder strömen raus, und dann als Lehrkraft das Vertrauen zu haben, dass die irgendwas machen, nur nicht das, was sie sollen-. Da gibt es eigentlich ganz einfache Methoden. Im Endeffekt sind das Pläne, die man mit den Kindern bespricht. Wichtig ist, dass man auf jeden Fall kommuniziert mit den einzelnen Kindern und nicht mit der Klasse. Und dann gemeinsam bespricht, was nehme ich mir vor, welche Ziele will ich erreichen, und dann stellt man individuelle Pläne auf. Kann Hinweise geben, wie das geübt werden kann. Hier kann man wieder das Schulbuch dann benutzen, oder andere Mittel und Wege, die es ja heutzutage mit der Digitalisierung auch gibt. Und dann auch Meilensteine zu setzen, dann immer wieder Minuten zu finden, wo man dann sich wieder trifft und bespricht: Wie weit bin ich gekommen, was fehlt mir noch, welche Schwierigkeiten hatte ich, oder was ist mir gut gelungen. Und dann findet das neue Beratungsgespräch statt mit den Kindern, und werden neue Ziele formiert oder eben Dinge wiederholt, kann ja auch passieren.

Florian Geierstanger: Und Du hattest aber-. Das ist jetzt alles an der Willy-Brandt-Gesamtschule, in einem normalen Schulgebäude, in einem normalen 45-Minuten-Takt. Du hattest Geographie und Englisch. Und dann in Deinem Geographie-Unterricht zum Beispiel 45 Minuten Geographie, oder 90. Da hast Du jetzt solche Phasen eingeführt, oder, in einem … #00:31:38-9# Ziel, oder einem Plan, mit jedem Schüler, mit 30 Realschülern, mit jedem einen einzelnen Plan gemacht, oder ganz konkret?

Eduard Arndt: Ja, also Du hast gerade 45-Minuten-Einheiten erwähnt. Ich habe dann ziemlich schnell festgestellt, dass 45 Minuten natürlich niemals reichen. Sondern, dass wir auch angefangen haben, dann den Stundenplan dann in Wochen und Monaten zu begreifen. Und zu sagen, in Woche zehn findet die Einführungsphase statt. Und in Woche elf, zwölf, 13, 14 die Umsetzungsphase. Und in Woche 15, 16 die Realisierungsphase, so ungefähr. Wo wir dann auch gemerkt haben, das sind viel zu lange Abstände, was eigentlich die Schüler schon brauchen, um sich auch wirklich was zu erlernen. Und dann feststellen, wieso machen wir das eigentlich fachgetrennt, wieso sind die Dinge, die wir in Geographie lernen, nicht, können nicht verbunden werden mit Themen, die ja das durchaus wiedergeben. Also Physik, Mathematik, Sprachen, und dann haben wir angefangen, Projekte zu denken. Und dann haben wir sozusagen die Stunden, die für Physik, Mathematik, Englisch, Geographie zur Verfügung stehen, in Blöcke aufzuteilen und einen bunten Stundenplan zu machen. Das heißt, blau war Impulsphase, gelb war Erarbeitungsphase, rot war Realisierungsphase und grün war Evaluierungsphase. Und somit haben wir nicht mehr Fächer unterrichtet, sondern wir haben Projekte durchgeführt.

Franziska Timmer: Ist das so ein bisschen wie der fächerübergreifende Unterricht, der ja schon länger irgendwie im Gespräch ist?

Eduard Arndt: Kann man so nennen. Etwas weitergeführt als fächerübergreifender Unterricht. Also wir kenne das auch von anderen Bundesländern, die dann Fächer zusammenbringen, die ähnlich sind. Meistens sind es nur zwei oder höchstens drei Fächer. Aber da wird auch nach Lehrbuch gelehrt. Was wir gemacht habt haben, sind wirklich Projekte durchgeführt, was so eigentlich ganz, also nur vereinzelt in Schulen vorkommt. Schulen machen Projekte, gar keine Frage, aber nur ab und an.

Florian Geierstanger: Wie lang war so ein Projekt? Also war dann ein Projekt zum Beispiel Tektonik oder so, Plattentektonik, weil wir das Beispiel hatten? War das dann ein Tag oder eine Woche?

Eduard Arndt: Ja, also, die-. Ganz unterschiedlich, je nach Thema, welches wir uns ausgewählt haben. Also wir haben keine so komplizierten Projekte gemacht, sondern-.

Florian Geierstanger: Sag mir eines, wie hört sich so … #00:34:19-4# Projekt an?

Eduard Arndt: Wir haben eine Reise nach London geplant zum Beispiel. Das ist, die Idee ist aus dem Englisch-Schulbuch gekommen, wo eine Ausfahrt planen, und da gab es eben Gruppen, die sich um die Sehenswürdigkeiten kümmern mussten. Dann gab es eine Gruppe, die sich um die Hotel kümmern mussten, auch reell dann, weil wir das tatsächlich nachher durchgeführt haben, ein Jahr später. Und somit ist all das, was da erarbeitet worden ist auch tatsächlich umgesetzt worden. Das heißt hier ist eine ganz andere Motivation da. Das heißt die Kinder-. Da habe keine Sorge mehr, ja machen die das? Sondern die machen das, weil sie wissen, da fahren wir tatsächlich hin, und das muss Hand und Fuß haben. Und sie sind auch dafür verantwortlich.

Franziska Timmer: Und wenn man das jetzt wieder zurückübersetzt auf die Fächer? Also Englisch liegt auf der Hand, das Englisch da gefördert wurde auf jeden Fall. Welche anderen Fächer-?

Eduard Arndt: Ja, Geographie, also wie kommen wir hin, welche Länder durchqueren wir, was müssen wir da klimatisch beachten? Die Kultur der Menschen, das ist ja auch in der Anthropogeographie mit enthalten. Das sind ganz viele Themen, die, sagen wir, subtil jetzt den Kindern beigebracht wird.

Florian Geierstanger: Und Ihr wart aber immer in städtische Willy-Brandt-Gesamtschule, Ihr seid ja, oder Ihr wart da, einfach an den bayrischen Lehrplan gebunden, wie jede andere Schule auch. (Eduard Arndt: Ja.) Und Ihr habt den dann so aufgeteilt, einfach anders herangegangen.

Eduard Arndt: Genauso, wie ich es vorhin erklärt habe, mit den Räumen auch, die Themen gibt es. Aber das heißt ja nicht, dass ich die wirklich Stunde für Stunde andere Themen dann unterrichten muss, sondern ich kann sie anders strukturieren. Ich kann sie miteinander in Verbindung bringen, ich kann sie separieren, ich kann sie zu unterschiedlichen Zeiten durchführen, je nachdem, also immer im Rahmen des Lehrplans. Und wenn mal einmal die ersten Seiten des Lehrplans, übrigens, liest, da steht ganz klar drinnen Qualität vor Quantität. Und individuelle Förderung von Schulen. Und da frag ich mich, wie will man das dann machen mit der herkömmlichen Struktur? Das geht gar nicht. Also muss ich mir andere Dinge überlegen und die Strukturen auch aufweichen, oder vielleicht auch irgendwann einmal wechseln, damit ich das tatsächlich den Lehrplan umsetzen kann.

Florian Geierstanger: Und jetzt möchte ich aber doch noch einmal wissen, dieser, wie lang hat dieser Prozess gedauert? War das jetzt, wie Du das beschreibst, ziemlich radikal im Vergleich zu dem herkömmlichen Unterricht? Wenn man jetzt den ganzen Unterricht als Projekt durchführt, oder in vielen Projekten. Und das gehst ja dann auch nicht nur Du allein, sondern eben, das muss die ganze Schule dann machen, mit allen Lehrern, stell ich mir vor. Nein?

Eduard Arndt: Was heißt müssen? Also das ist natürlich für niemand-. Ich kann niemanden befehlen, oder weis machen, wie Unterricht zu sein hat. Ich denke, das kommt auch ganz stark auf jeden individuell als Lehrkraft, also Pädagoge, an, was er denn verantworten kann. Natürlich ist es gut, wenn es ein Gesamtkonzept gibt, eine Gesamtsystematik gibt, gar keine Frage. Aber irgendwann einmal muss eben der Anfang gemacht werden. Und in dem Fall war es ich, später war es ein Team um mich, mit zehn Lehrkräften. Und heute ist es nicht ganz so radikal, wie ich es anfangs gemacht habe, aber immerhin ganz viele Faktoren wurden übernommen und auch in ein pädagogisches Konzept der Schule geschrieben. Und der, dieser Prozess war, naja, hat mindestens fünf Jahre gedauert.

Florian Geierstanger: Von eins, von Dir als Einzelnem bis es dann zehn waren.

Eduard Arndt: Genau, und bis es dann auch niedergeschrieben wurde als Konzept. Wobei das, ich sag einmal so, als Niederschrift da war, aber noch lang nicht alle erreicht hat. Ja, also, auch da sind wir dann darauf gekommen, ja das, da können wir genauso wenig die Lehrkräfte alleine lassen. Da können wir auch Impulse geben, aber nur dann, wenn es gewünscht ist. Also nicht aufoktroyiert, sondern wirklich als Beratungsleistung immer zur Verfügung stehen, wenn notwendig oder wenn gewünscht. Und dann kommen wir da auch viel weiter als wenn man das radikal, sage ich einmal, von heute auf morgen ändert. Da, denke ich, würde man noch länger brauchen als wenn man es dann wirklich sensibler und inkrementell, Stück für Stück weiterführt.

Franziska Timmer: Das heißt für Schulen, die das spannend finden, sich jetzt aber nicht sofort trauen, da irgendwie das Konzept komplett von null auf hundert umzusetzen, die können auch klein anfangen. Das irgendwie so in einem kleinen Kosmos, sage ich einmal, ausprobieren und dann weiterführen.

Eduard Arndt: Genau.

Franziska Timmer: Funktioniert das auch wenn jetzt kein Umbau ansteht?

Eduard Arndt: Ja, das funktioniert immer. Das heißt auch, also, Du hast ganz am Anfang, ich glaub, die ersten Sätze, die Du gesagt hast, war, das architektonische Konzept. Es ist nicht nur ein architektonisches Konzept, sondern es ist ein pädagogisches Konzept. Und Pädagogik und Raum haben ganz viel miteinander zu tun, weil die soziale Handlung eigentlich den Raum ausmacht und den Raum konstituieren. Also das, was wir als Menschen sozusagen, in unserer Aktion rüberbringe, das ist der Raum. Und die Architektur ist hilfreich. Oder eben nich so ganz so hilfreich. Aber daraus kann man auch wieder was machen. Das heißt noch einmal übersetzt: Meine Einstellung, meine persönliche Einstellung, meine soziale Haltung ist das Entscheidende. Alles andere kommt danach. Das heißt, für jetzt Deine Frage, Franziska, ich kann das natürlich in herkömmlichen Räumen machen, ganz egal wie strukturiert das ist. Wenn ich eine demokratische Struktur vorlebe, dann schaffe ich auch einen demokratischen Raum. Also das heißt wenn ich die Kinder in den Bildungsprozess mit einbeziehe, wenn ich ihnen die Möglichkeit gebe, sich zu äußern, sich zu beteiligen, sich auch zu erleben, dann schaffe ich diesen demokratischen Raum. Ganz egal, wie das architektonisch aussieht.

Florian Geierstanger: Ich möchte das dann einmal irgendwie so auseinanderhalten, weil wir, was wir jetzt vorher gerade geredet haben mit dem Projektunterricht, es war ja Deine Erfahrung der Schulentwicklung an der städtischen Willy-Brandt-Gesamtschule, die ist kein Lernhaus, die hat keine neue Architektur, oder? Es ist eine herkömmliche Flurschule stelle ich mir vor.

Eduard Arndt: Ist eine herkömmliche Flurschule, genau. Wir haben, also was die Struktur anbelangt, tatsächlich dann einen Change gemacht. Wir haben nämlich diese Lernhaus-Teams gegründet, die aber nicht-. Wo sind wir schon, so langsam über der Zeit?

Florian Geierstanger: Nee, sehr gut. Genau richtig.

Eduard Arndt: Ja, also, wir haben tatsächlich diese Teams gegründet. Und ganz ohne zusätzliche Ressourcen, sondern wir haben geschaut, welche Lehrer gibt es, wie sind die Klassen geordnet, wie ordnen wir, oder wie wollen wir sie ordnen? Und so haben wir auch die Teams formiert, dass wir gesagt haben von Klasse fünf bis sieben, hatten wir, glaube ich, insgesamt vier Klasse fünf bis sieben Teams; und Klasse acht bis zehn, ich glaube sechs nochmal. Also insgesamt zehn Teams. Also recht große Schule. Diese Struktur haben wir dann irgendwann einmal geschaffen, weil wir gemerkt haben, das hilft uns bei diesem Projekt. Klar, weil wenn wir an Projekten arbeiten und ständig sozusagen die Fächer und die Fachkollegen zusammenkommen müssen und diese Projekte besprechen müssen, dass die auch räumlich oder, ja räumlich halt zusammenarbeiten müssen und auch thematisch zusammenarbeiten müssen. Und das war dann gesetzt. Und später kann dann die Unterstützung seitens des Staates tatsächlich dazu. Es gibt mittlerweile Pilotprojekte der mittleren Führungsebene. Das heißt, es gibt für diese Teams jeweils eine Person, die als Teamleiter fungiert, die auch die personale Hoheit hat, bewerten darf. Da ging es uns gar nicht drum, aber zumindest hat es eine gewisse Wertigkeit bekommen, kürzlich.

Florian Geierstanger: Gut. Jetzt überlege ich, wie wir hier noch irgendwie weitermachen. Ja, machen wir einfach weiter mit der Zukunft.

Eduard Arndt: Wollen wir den Zukunftsraum suchen?

Florian Geierstanger: Ja, den Zukunftsraum. Wir gehen jetzt aus dem Teamraum wieder raus.

Eduard Arndt: Haben wir eigentlich schon gesagt, dass diese Ganztagsbetreuungsräume, also die zwischen den Klassenräumen liegen, komplett geöffnet werden können, und im Forum zugeschaltet werden können? Das heißt, links sehen wir eine geschlossene Wand, Tür, mit Glaselementen. Wenn wir nach rechts schauen, sehen wir eine komplett geöffnete Wand, und die plötzlich Teil des Forums wird. Und bei Bedarf eben auch abgeschlossen. Und je nachdem welche Konzeption ich fahre, welche, was ich auch veranstalte, der Forum ist ja auch Teil eines Veranstaltungsraumes für Flohmärkte, Weihnachtsbasare, Elternabende. Also unendlich viele Möglichkeiten, die wir dadurch erzeugen können.

Florian Geierstanger: Also gut. Ich gehe nochmal einen Schritt zurück, auf das Allgemeinere. Wie dieses Lernhauskonzept überhaupt entstanden ist. Also, das hat ja der Stadtrat, der Münchner Stadtrat 2014 beschlossen für alle Neubauten, für alle Umbauten, dass die alle nach diesem ganz klaren architektonischen Prinzip gebaut werden. Und, ja, wo kommt das her, wie hat der Stadtrat, wie kam der Stadtrat darauf, sowas-. Ich finde es jetzt sehr radikal und mutig, dass jetzt eine Stadt sich für alle Schulbauten so, für so was, entscheidet, so ganz eindeutig.

Franziska Timmer: Und trotzdem so unterm Radar ein bisschen, oder? Es ist jetzt nicht so, dass es irgendwie an die große Glocke gehängt wurde.

Florian Geierstanger: Ja, ist auch einen interessante Frage, wieso es keiner-.

Eduard Arndt: Ob das so beabsichtigt war, ist die andere Frage, ne. Aber das stimmt, da muss ich Euch zupflichten, das ist ein toller Job, der hier geleistet wurde, und wirklich-. Auch wenn man schaut deutschlandweit ein sehr mutiger Schritt gewesen, dafür wird München auch teilweise kritisiert. Also in den Kreisen, in den Schulbau-Kreisen ist das Thema natürlich allgegenwärtig. Und München wird auch kritisiert, man sagt: “Ja dann sehen Eure Schulen ja alle gleich aus.” Aber spätestens dann, wenn die nächsten Gebäude stehen, wir sind ja schon in Planung, dann sieht man, dass die völlig unterschiedlich sein können. Auch architektonisch ganz anders aussehen. Und auch selbst in diesem Gebäude sieht man, dass die Teams unterschiedlich mit den Räumen umgehen. Das heißt dass, was wir hier sehen, sieht im Lernhaus, da können wir ja vielleicht einmal rübergehen, ins nächste Lernhaus, sieht plötzlich ganz anders aus, und da merkt man, ja klar, die haben auch ganz andere Kinder. Und die brauchen vielleicht auch was ganz was anderes.

Florian Geierstanger: Also wir waren jetzt im Lernhaus B, gelb.

Franziska Timmer: Eins B, also erste Klasse.

Florian Geierstanger: Erste Klasse und zweite Klasse.

Eduard Arndt: Erste und zweite Klasse.

Franziska Timmer: Ah, okay. (Gehgeräusche) (7 Sek.)

Florian Geierstanger: Und wir gehen an so einer Verwaltungszone vorbei. Schulleitung sitzt hier, die Leitung vom Tagesheim. Eine riesige, runde Treppe, ganz in weiß. (Gehgeräusche) (4 Sek.)

Eduard Arndt: Somit wird auch das Gebäude plötzlich, wirkt aufgeräumter, die Klassen müssen nicht mehr vereinzelt gesucht werden, sondern da ist, findet man sofort sich zurecht. Und steht sozusagen, ausgehend vom Zentrum mitten im Geschehen und kann dann gezielt auf die Lernhäuser zugehen. Franziska (lachen), Du bist wieder gefordert! Was siehst Du hier?

Franziska Timmer: Ich sehe folgendes: Jetzt sehe ich keinen gelben, großen, runden Teppich in der Mitte, sondern zwei bisschen kleinere rote quadratische. Und überhaupt ist hier alles eher in rot und dunkelblau gehalten. Ansonsten, der räumliche Aufbau, würde ich sagen, ist gleich wie drüben, oder? Ja.

Eduard Arndt: Der räumliche Aufbau, also, das ist genau das gleiche Lernhaus, genau gleich architektonisch umgesetzt.

Florian Geierstanger: Vier Klassen, große Mitte, dazwischen Teamzimmer (Eduard Arndt: Richtig.), zwei Differenzierungsräume.

Eduard Arndt: Aber die Ausstattung ist hier völlig anders.

Franziska Timmer: Ja, das stimmt. Also diese Stecktürme gibt es hier nicht. (Eduard Arndt: Richtig.) Es gibt relativ klassische Tische mit Stühlen, um die man sich herumsetzen kann.

Eduard Arndt: Und jetzt kann man daraus viele Dinge interpretieren. Entweder, dass die Kinder tatsächlich diesen Bedarf an solchen Möbeln haben oder an solchen Plätzen. Oder, dass die Pädagogen, die Weiterentwicklung des Teams noch nicht so weit war wie die des gelben Teams. Und da sieht man auch, dass man ganz unterschiedlich auch hier agieren kann. Dass die Teams autark sein können. Dass sie sogar ihren eigenen Stundenplan machen können. Dass sie sogar ihre eigenes Budget verwalten könnten und sozusagen aus einer großen Schule eine ganz kleine Schule zu machen. Also stärker angepasst an die Kinder dann agieren können, als das in einem großen Schulgebäude mit, also mit diesen Strukturen, wie wir sie kennen, ganz schwer umzusetzen ist. Ja, wenn man nur, alleine wenn man nur einen Ausflug machen möchte mit den Kindern, welche Kollegen man da fragen muss, wie lang das dauert, bis das umgesetzt ist. Das ist plötzlich in dem Lernhaus von heute auf morgen möglich.

Florian Geierstanger: Wenn ich jetzt ein Lehrer wäre in dem Lernhaus C und würde einfach sagen, also meine Teamkollegen, mit denen komm ich einfach-. Da werde ich einfach nicht so warm. Jetzt bin ich schon zwei Jahre bei denen hier und irgendwie, die sind so ein Team, und ich bin irgendwie der Außenseiter, und meine, eigentlich, die ich so cool finde, die sind eigentlich im Lernhaus B. Könnte ich dann die Versetzung beantragen, ins andere Lernhaus?

Eduard Arndt: Natürlich, also hier wird ja keiner verhaftet. Aber Du sagst etwas, was in einem herkömmlichen Schulsystem gar nicht auftaucht. Da sagt keiner: “Ich fühle mich nicht wohl.” Sondern als Einzelkämpfer Lehrer schließt du dich quasi in deinem Klassenzimmer ein und bleibst unentdeckt. Und es kommt niemals zur Sprache, und man kann nicht drauf reagieren, man kann nicht unterstützen. Und im Team ist es aber plötzlich möglich. Im Team kann man sagen, was einen stört, im Team kann man sagen, ich habe gewisse Probleme, oder ich habe auch eine tolle Idee. Das findet hier Gehör. Was es sonst nicht tut.

Franziska Timmer: Das heißt, in dem Lernhauskonzept steckt nicht nur ein anderes Konzept des Lernens, sondern auch tatsächlich des Lehrens, des Arbeitens.

Florian Geierstanger: Und wie wird jetzt-? Was für eine Gruppe von Einzelkämpfern, wenn das jetzt, sagen wir einmal, diese vier Klassenleitungen, diese vier Klassen, hier dritte und vierte, zwei dritte und zwei vierte, wie wird jetzt aus diesen Einzelkämpfern eigentlich ein Team? Also nur, weil die jetzt dieses gemeinsame, die gemeinsame Kaffeemaschine sich da teilen, in diesem Teamzimmer, oder weil sie jetzt ein Teamzimmer haben, sind sie dann schon ein Team, oder wie geht das?

Eduard Arndt: Ja, jetzt kommst Du ja quasi wieder auf mein Berufsbild zu sprechen. (Florian Geierstanger: Genau, ja.) Also, natürlich kann das eine Schulleitung auch. Nur einen Schulleitung ist dermaßen eingespannt, mit ganz anderen Themen, dass sie oft dafür keine Zeit findet. Und auch eine gewisse Rolle verkörpert, und vielleicht gar nicht so offen sein kann. Und hier sieht man, wie wichtig es ist, und es wäre, sich Menschen von außen zu holen, die einen das reflektieren was hier passiert. Und die Dinge ansprechen, die das moderieren können oder mediieren können, und eine Teamfindungs-Phase in Gang setzen.

Florian Geierstanger: Wie machst Du jetzt mit hier-. Du arbeitest ja mit der Grundschule Bauhausplatz mit den Lernhausteams. (Eduard Arndt: Ja.) Und wie hast Du da eine Teamfindungs-Phase, wie schaut die aus, also-?

Eduard Arndt: Uh, das ist eine gute Frage, also ich hatte bisher-.

Florian Geierstanger: Ganz konkret, so, was machst Du mit denen?

Eduard Arndt: -bisher eine einzige Sitzung mit jeweils jedem Team zusammen.

Florian Geierstanger: Was habt Ihr da besprochen? Was war da so-?

Eduard Arndt: Also das Wichtigste ist, erstmal zu wissen: Was will man eigentlich machen? So, wozu sind wir eigentlich da? Was müssen wir als Schule in der heutigen Gesellschaft leisten?

Florian Geierstanger: Was sagen die?

Eduard Arndt: Ja, wir sind nach Auseinandersetzungen, nach reiflicher Überlegung, alles dazu gekommen, dass wir die Kinder auf die Gesellschaft vorbereiten müssen. Das ist unser Job. Und ich denke, dass das nicht wirklich jedem bewusst ist. Vielleicht unterbewusst ja, oder man würde das so dahersagen, aber was heißt das tatsächlich, wirklich nachher im Unterricht? Was heißt das im Umgang mit den Kindern? Das ist oft nicht bewusst, und vielleicht aber auch traut man sich da nicht so ganz ran, weil man nicht weiß wie wir das machen sollen. (Florian Geierstanger: Und das wäre dann-.) Und das ist jetzt genau mein Job zu sagen-.

Florian Geierstanger: Genau, das wäre eine Antwort. Was heißt das konkret im Unterricht? Diese Vorbereitung auf die Gesellschaft, was hat denn die da für Ideen, oder-?

Eduard Arndt: Also ich denke, da gibt es auch unterschiedlichste Möglichkeiten. Zumindest sind die Themen natürlich entscheidend. Wir steuern ja auf ein Jahrhundert zu, oder wir sind schon in dem Jahrhundert, wo es um ganz klar definierte Themen geht. Nämlich Globalisierung, Digitalisierung. Und, was habe ich jetzt vergessen? Was habe ich gesagt?

I und Franziska Timmer: Globalisierung und Digitalisierung.

Eduard Arndt: Ja, und Umwelt.

Franziska Timmer: Ah ja.

Eduard Arndt: Genau, also ein Thema Nachhaltigkeit, Klimawandel, das sind unsere Themen. Und das ist eine Riesenherausforderung für unsere Gesellschaft, und die müssen wir anpacken, müssen verstehen, was da gerade passiert. Das ist der erste Schritt und dann muss man schauen, wie können wir uns auch vielleicht mit Partnern von außen, also mit Unternehmen, die sich ja diesen Fragen auch, diese Fragen auch sich stellen. Oder auch in anderen Institutionen wie Theater oder Jugendeinrichtungen jeglicher Art, auch der Einzelhändler oder das Wirtschaftsunternehmen, die stellen sich diese Fragen auch. Und vielleicht sollten wir einmal zusammensitzen und gemeinsam überlegen. Ja, also das jetzt auf einer ganz großen Ebene gedacht. Und im Kleinen kann man da sicherlich sehr viele Umsetzungsmöglichkeiten finden, ja. Man muss nur einmal schauen, was da so in meinem Umfeld ist. Gibt es da einen Park, gibt es da einen Wald, gibt es da ein Unternehmen, das sich mit dem Thema auch schon auseinandersetzt, und einmal mit denen sprechen: “Was macht ihr da eigentlich?” Und schon vernetze ich zwei Institutionen miteinander, die stark voneinander profitieren können.

Florian Geierstanger: Du machst jetzt schon so die Kurve, die ich auch zum Ende hin machen wollte. Weil wir sind auch fast am Ende. Und zwar das wäre die, wie, wenn Du so innerlich die Augen schließt, also wie schaut denn die Schule in zehn Jahren aus?

Eduard Arndt: Ja, das ist eine gute Frage.

Florian Geierstanger: Einfach als Utopie, einfach als Traum, oder-.

Eduard Arndt: Ja, ich setze mich ja tatsächlich mit dieser Frage auseinander. Wenn wir uns noch einmal vor Augen führen, dass wir hier ja die Kinder auf die Gesellschaft vorbereiten müssen. Und dass wir nicht die einzigen sind, die die Kinder auf die Gesellschaft. Und das ist, dass die Schule bisher aber in den Gedanken immer gesehen wird als einziger Bildungsort, oder einer der wenigen Bildungsorte in einem Quartier, in einem Stadtteil, in einem Dorf. Das ist es aber nicht. Es findet überall, wenn wir, glaub ich, außerhalb des Schulgebäudes einmal schauen, findet wahrscheinlich mehr Bildung statt als es in der Schule passiert. Nur, Schule bietet uns einen Raum, der geschützt ist. Das heißt, hier können wir tatsächlich Dinge ausprobieren, Fehler machen, ja, ohne dass es eine direkte Konsequenz hat, basteln oder entwickeln. So könnte für mich auch Schule in Zukunft aussehen, dass die Impulsphasen, Realisierungsphasen alle außerhalb der Schule stattfinden. Und hier eine Sammelstelle für Jung und Alt ist, wo man gemeinsam Ideen entwickeln kann. Gemeinsam spinnen darf, Visionen entwickeln kann, kreativ sein kann, ohne dass was passiert. Und dann würde das eher so wie so eine Open-Lab Werkstatt aussehen, anstatt etwas, was mit Wänden und Türen und Tischen und Stühlen zu tun hat. Was wir hier auch ja noch sehen, ja. Aber in Zukunft würde das nicht mehr so sein, sondern es wäre hier eine große Fläche, die unendlich viele Möglichkeiten bildet.

Franziska Timmer: Und nicht unmöglich viele Endlichkeiten.

Eduard Arndt: Ja, richtig. Richtig.

Florian Geierstanger: Also, Eduard, super. Das war das perfekte Schlusswort. Also, und ich finde es ist deswegen ein gutes Schlusswort, weil da merkt man, es geht ja jetzt erst los. Dieses Münchner Lernhauskonzept, diese Chance, dass sehr viele neue Schulen auf einmal gebaut werden, jetzt nach einer neuen Architektur, aber auch neue, mit neuen pädagogischen Anspruch. Da löst was aus und das beginnt gerade erst. (Eduard Arndt: Ja.) Und da warst Du jetzt ein super erster Gesprächspartner für unseren Podcast. Franziska, oder, es war eine tolle Einführung.

Franziska Timmer: Das kann ich nur bestätigen. Ich fand es sehr, sehr spannend. In meinem ersten Lernhaus.

Florian Geierstanger: Und wir machen da weiter, mit diesem Podcast. Wir werden auch mit, also, das von unterschiedlichen Ebenen her einfach besprechen, mit Verschiedenen, die da mitmachen. Also mit Schulleitern, Du bist jetzt praktisch ganz oben, das war jetzt die Meta-Ebene, der mit vielen Schulen arbeitet. Wir werden das mit den Schulleitern, mit den Lehrern, natürlich dann auch mit den Schülern, so in den nächsten Monaten einfach besprechen, was deren Ideen sind, was deren Impulse sind, was die fasziniert an diesen neuen Schulen, was die Begeisterung.

Franziska Timmer: Oder vielleicht auch nicht begeistert.

Florian Geierstanger: Oder nicht begeistert. Genau, auch was nicht klappt, was auch bei so einem Änderungsprozess irgendwie schwierig ist, was einen ärgert oder frustriert. Da werden wir darüber reden. Ich will noch zum Schluss sagen für die Zuhörer: Vielen Dank für das Zuhören. Das Ganze hat eigentlich als Filmprojekt begonnen, und deswegen gibt es eine Homepage, die heißt Lernhausfilm.de. Und es gibt da auch eine Email-Adresse: florian@hosting167248.a2f7e.netcup.net und die beste Rückmeldung wäre natürlich auch einfach, Emails zu dem Thema mir zu schicken. Was habt ihr als Zuhörer für Gedanken zum Thema, was begeistert auch, was würdet ihr anders machen, was wollt ihr anders machen, wie schaut die Zukunft der Schule aus? Vielen Dank.

Eduard Arndt: Danke auch.

Franziska Timmer: Danke!